Einführung des Jargons


Leser. Nun wird der Jargon in den Wiener Redaktionen bald obligat sein. Natürlich wird noch einige Zeit die doppelte Sprachwährung gelten. Allmählig aber werden die Verstöße gegen die hebräische Grammatik seltener werden, diese deutschen Sätze, die hin und wieder auch einem Wiener Journalisten widerfahren und für das liberale Leserpublikum unverständlich sind. Manche schreiben schon heute einen ganz reinen Jargon. So zum Beispiel begann neulich der Börsenartikel der ›Wiener Allgemeinen Zeitung‹ mit dem Satze: »›Tempi passati!‹ sagt der Italiener geringschätzig auf die Vergangenheit.« Das hat Stil, das nenne ich ein radikales Farbebekennen. Man kann jetzt die Wiener Journalistik in zwei Gruppen einteilen: die eine, die etwas auf wem weiß, es aber nicht sagen will, und die andere, die etwas auf wen sagen könnte, aber daran vergessen hat.

 

 

Nr. 216, VIII. Jahr

9. Jänner 1907.


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