Die Impressionisten im Herrenhaus


Politiker. Die Impressionisten waren neulich auf die Gallerie des Herrenhauses geschickt worden. Der von der ›Zeit‹ erzählte, der Präsident Fürst Windischgrätz habe »mit seiner schlanken, noblen Stimme um Ruhe gebeten«. Der von der ›Neuen Freien Presse‹ versichert, »seine laute, etwas derbe Stimme« habe »etwas Trommelndes, leise Slavisches im Akzent«. Der von der ›Zeit‹: »Franz Graf Thun erhebt sich, und man hört seine Klarinettenstimme wieder, die so rein und sauber vokalisiert. Und dieser kunstreiche Holzbläser stimmt ein Friedenslied an.« Der von der ›Neuen Freien Presse‹: Graf Thun spricht »weich, marklos, unplastisch, mit einer anstrengungslosen, automatischen Bewegung seiner Lippen«. Der von der ›Zeit‹: »Fürst Auersperg … ein eigensinniges, schmales Gesicht, schmalnasig, mit schmalen Lippen. Auf den fahlen Wangen einen schwachen Widerschein von Fanatismus. Mit einem grausamen Ton in der Stimme …« Der von der ›Neuen Freien Presse‹: »Der Typus geht mehr in das Rasselose, in das Alltägliche, das im Frack gekleidet, ziemlich banal dreinschaut«. Der von der ›Zeit‹: Chlumecky »redet wie ein gütiger Onkel, … redet sanft und mahnend, hat behagliche Gebärden«. Der von der ›Neuen Freien Presse: »Da ist Freiherr von Chlumecky, der energisch, ja nervös gestikuliert …« Der von der ›Zeit‹: »Der greise Graf Harrach mit seinem feinen Altwiener Kriehuberkopf hat eine feine, stille Rede gehalten und sitzt nun wie verträumt da.« Der von der ›Neuen Freien Presse‹: »Wie ein Ritter des Mittelalters mit dem runden, kurzen Bart, wie man ihn auf alten Bildern bei Götz von Berlichingen sieht; das Gesicht buldoggartig gewaltig nach vorwärts geschoben …« Die Impressionisten waren auf die Gallerie des Herrenhauses geschickt worden.

 

 

Nr. 216, VIII. Jahr

9. Jänner 1907.


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