Intellektualität der Anschauung


Ich habe alle diese das Seehn betreffenden Vorgänge so ausführlich dargelegt, um deutlich und unwiderleglich darzutun, dass in ihnen vorwaltend der Verstand tätig ist, welcher dadurch, dass er jede Veränderung als Wirkung auffaßt und sie auf ihre Ursache bezieht, auf der Unterlage der apriorischen Grundanschauungen des Raums und der Zeit, das Gehirnphänomen der gegenständlichen Welt zu Stande bringt, wozu ihm die Sinnesempfindung bloß einige Data liefert. Und zwar vollzieht er dieses Geschäft allein durch seine eigene Form, welche das Kausalitätsgesetz ist, und daher ganz unmittelbar und intuitiv, ohne Beihilfe der Reflexion, d.i. der abstrakten Erkenntnis, mittelst Begriffen und Worten, als welche das Material der sekundären Erkenntnis, d.i. des Denkens, also der Vernunft, sind.

Diese Unabhängigkeit der Verstandeserkenntnis von der Vernunft und ihrer Beihilfe erhellt auch daraus, dass, wenn ein Mal der Verstand zu gegebenen Wirkungen eine unrichtige Ursache setzt, und mithin diese geradezu anschaut, wodurch der falsche Schein entsteht; die Vernunft immerhin den wahren Tatbestand in abstracto richtig erkennen mag, ihm damit jedoch nicht zu Hülfe kommen kann; sondern, ihrer bessern Erkenntnis ungeachtet, der falsche Schein unverrückt stehen bleibt. Dergleichen Schein ist z.B. das oben erörterte Doppeltsehn und Doppelttasten, in Folge der Verrückung der Sinneswerkzeuge aus ihrer normalen Lage; imgleichen der erwähnte, am Horizont größer erscheinende Mond; ferner das sich ganz als schwebender, solider Körper darstellende Bild im Brennpunkt eines Hohlspiegels; das gemalte Rilievo, welches wir für ein wirkliches ansehn; die Bewegung des Ufers, oder der Brücke, worauf wir stehen, während ein Schiff durchfährt; hohe Berge, die viel näher erscheinen, als sie sind, wegen des Mangels der Luftperspektive, welcher eine Folge der Reinheit der Atmosphäre, in der ihre hohen Gipfel liegen, ist; und hundert ähnliche Dinge, bei welchen allen der Verstand die gewöhnliche, ihm geläufige Ursache voraussetzt, diese also sofort anschaut, obgleich die Vernunft den richtigen Tatbestand auf andern Wegen ermittelt hat, damit aber jenem, als welcher ihrer Belehrung unzugänglich, weil in seinem Erkennen ihr vorhergängig, ist, nicht beikommen kann; wodurch der falsche Schein, d.i. der Trug des Verstandes, unverrückbar stehen bleibt, wenn gleich der Irrtum, d.i. der Trug der Vernunft, verhindert wird. — Das vom Verstande richtig Erkannte ist die Realität; das von der Vernunft richtig Erkannte die Wahrheit, d.i. ein Urteil, welches Grund hat: jener ist der Schein (das fälschlich Angeschaute), dieser der Irrtum (das fälschlich Gedachte) entgegengesetzt.

Obgleich der rein formale Teil der empirischen Anschauung, also das Gesetz der Kausalität, nebst Raum und Zeit, a priori im Intellekt liegt; so ist ihm doch nicht die Anwendung desselben auf empirische Data zugleich mitgegeben: sondern diese erlangt er erst durch Übung und Erfahrung. Daher kommt es, dass neugeborene Kinder zwar den Licht- und Farbeneindruck empfangen, allein noch nicht die Objekte apprehendiren und eigentlich sehn; sondern sie sind, die ersten Wochen hindurch, in einem Stupor befangen, der sich alsdann verliert, wann ihr Verstand anfängt, seine Funktion an den Datis der Sinne, zumal des Getasts und Gesichts, zu üben, wodurch die objektive Welt allmälig in ihr Bewußtsein tritt. Dieser Eintritt ist am Intelligentwerden ihres Blicks und einiger Absichtlichkeit in ihren Bewegungen deutlich zu erkennen, besonders wenn sie zum ersten Mal durch freundliches Anlächeln an den Tag legen, dass sie ihre Pfleger erkennen. Man kann auch beobachten, dass sie noch lange mit dem Sehn und Tasten experimentieren, um ihre Apprehension der Gegenstände unter verschiedener Beleuchtung, Richtung und Entfernung derselben, zu vervollkommnen, und so ein stilles, aber ernstes Studium treiben, bis sie alle die oben beschriebenen Verstandesoperationen des Sehns erlernt haben. Viel deutlicher jedoch ist diese Schule an spät operierten Blindgeborenen zu konstatieren; da diese von ihren Wahrnehmungen Bericht erstatten. Seit Cheselden's berühmt gewordenem Blinden (über welchen der ursprüngliche Bericht in den Philosophical transactions Vol. 35 steht) hat der Fall sich oft wiederholt und es sich jedesmal bestätigt, dass diese spät den Gebrauch der Augen erlangenden Leute zwar gleich nach der Operation Licht, Farben und Umrisse sehn, aber noch keine objektive Anschauung der Gegenstände haben: denn ihr Verstand muß erst die Anwendung seines Kausalgesetzes auf die ihm neuen Data und ihre Veränderungen lernen. Als Cheselden's Blinder zum ersten Mal sein Zimmer mit den verschiedenen Gegenständen darin erblickte, unterschied er nichts daran, sondern hatte nur einen Totaleindruck, wie von einem, aus einem einzigen Stücke bestehenden Ganzen: er hielt es für eine glatte, verschieden gefärbte Oberfläche. Es fiel ihm nicht ein, gesonderte, verschieden entfernte, hinter einander geschobene Dinge zu erkennen. Bei solchen hergestellten Blinden muß das Getast, als welchem die Dinge schon bekannt sind, diese dem Gesicht erst bekannt machen, gleichsam sie präsentieren und einführen. Über Entfernungen haben sie Anfangs gar kein Unheil, sondern greifen nach Allem. Einer konnte, als er sein Haus von außen sah, nicht glauben, dass alle die großen Zimmer in dem kleinen Dinge da sein sollten. Ein Anderer war hocherfreut, als er, mehrere Wochen nach der Operation, die Entdeckung machte, dass die Kupferstiche an der Wand allerlei Gegenstände vorstellten. Im Morgenblatt vom 23. October 1817 steht Nachricht von einem Blindgeborenen, der im 17. Lebensjahre das Gesicht erhielt. Er mußte das verständige Anschauen erst lernen, erkannte keinen ihm vorher durch das Getast bekannten Gegenstand sehend wieder, hielt daher Ziegen für Menschen u.s.w. Der Tastsinn mußte dem Gesichtssinn erst jeden einzelnen Gegenstand bekannt machen. So auch hatte er gar kein Urteil über die Entfernungen der gesehenen Objekte, sondern griff nach Allem. — Franz, in seinem Buche: The eye: a treatise on the art of preserving this organ in healthy condition, and of improving the sight (London, Churchill 1839) sagt pag. 34-36: »A definite idea of distance, as well as of form and size, is only obtained by sight and touch, and by reflecting on the impressions made on both senses; but for this purpose we must take into account the muscular motion and voluntary locomotion of the individual. — Caspar Hauser 4), in a detailed account of his own experience in this respect states, that upon his first liberation from confinement, whenever he looked through the window upon external objects, such as the street, garden etc., it appeared to him as if there were a shutter quite close to his eye, and covered with confused colours of all kinds, in which he could recognise or distinguish noting singly. He says farther, that he did not convince himself till after some time during his walks out of doors, that what had at first appeared to him as a shutter of various colours, as well as many other objects, were in reality very different things; and that at length the shutter disappeared, and he saw and recognised all things in their just proportions. Persons born blind who obtain their sight by an operation in later years only, sometimes imagine that all objects touch their eyes, and lie so near to them that they are afraid of stumbling against them; sometimes they leap towards the moon, supposing that they can lay hold of it; at other times they run after the clouds moving along the sky, in order to catch them, or commit other such extravagancies.... Since ideas are gained by reflection upon sensation, it is further necessary in all cases, in order that an accurate idea of objects may be formed from the sense of sight, that the powers oft the mind should be unimpaired, and undisturbed in their exercise. A proof of this is afforded in the instance related by Haslam 5), of a boy who had no defect of sight, but was weak in understanding, and who in his seventh year was unable to estimate the distances of objects, especially as to height; he would extend his hand frequently towards a nail on the ceiling, or towards the moon, to catch it. It ist therefore the judgment which corrects and makes clear this idea, or perception of visible objects.«

Physiologische Bestätigung erhält die hier dargelegte Intellektualität der Anschauung durch Flourens: De la vie et de l'intelligence (Deuxième édition, Paris, Garnier Frères, 1858). Pag. 49, unter der Überschrift: Opposition entre les tubercules et les lobes cérébraux, sagt Flourens: »Il faut faire une grande distinction entre les sens et l'intelligence. L'ablationd'untubercule détermine la perte de la sensation, du sens de la vue; la rétine devient insensible, l'irisdevient immobile. L'ablationd'unlobe cérébral laisse la sensation, le sens, la sensibilité de la rétine, la mobilité de l'iris; elle ne détruit que la perception seule. Dans un cas, c'est un fait sensorial; et, dans l'autre,un fait cérébral; dans un cas, c'est la perte du sens; dans l'autre,c'estla perte de la perception. La distinction des perceptions et des sensations est encore un grand résultat; et il est démontré aux yeux. Il y a deux moyens de faire perdre la vision par l'encéphale: 1° par les tubercules, c'est la perte du sens, de la sensation; 2° par les lobes, c'est la perte de la perception, de l'intelligence. La sensibilité n'est donc pas l'intelligence, penser n'est donc pas sentir; et voilà toute une Philosophie renversée. L'idée n'est donc pas la Sensation; et voilà encore une autre preuve du vice radical de cette Philosophie.« Ferner sagt Flourens pag. 77 unter der Überschrift: Séparation de la Sensibilité et de la Perception: »Il y a une de mes expériences qui sépare nettement la sensibilité de la perception. Quand on enlève le cerveau proprement dit (lobes ou hémisphères cérébraux) à un animal, l'animal perd la vue. Mais, par rapport a l'œil, rien n'est changé: les objets continuent a se peindre sur la rétine; l'iris reste contractile, le nerf optique sensible, parfaitement sensible. Et cependant l'animal ne voit plus; il n'y a plus vision, quoique tout ce qui est Sensation subsiste; il n'ya plus vision, parce qu'il n'y a plus perception. Le percevoir, et non le sentir, est donc le premier élément de l'intelligence. La perception est partie de l'intelligence, car elle se perd avec l'intelligence, et par l'ablationdu même organe, les lobes ou hémisphères cérébraux; et la sensibilité rien est point partie, puisqu'elle subsiste après la perte de l'intelligence et l'ablationdes lobes ou hémisphères

Daß die Intellektualität der Anschauung im Allgemeinen schon von den Alten eingesehn wurde, bezeugt der berühmte Vers des alten Philosophen Epicharmus: Nous horê kai nous akouei t'alla kôpha kai typhla. Plutarch, der ihn (de sollert. animal: c.3) anführt, setzt hinzu: hôs tou peri ta ommata kai ôta pathous, an mê parê to phronoun, aisthêsin ou poiountos (quia affectio oculorum et aurium nullum affert sensum, intelligentia absente), und sagt kurz zuvor: Stratônos tou physikou logos estin, apodeiknyôn hôs oud'aisthanesthai toparapan aneu tou noein hyparchei (Stratonis physici exstat ratiocinatio, qua ›sine intelligentia sentiri omnino nihil posse‹ demonstrat).

Eumaie, to sophon estin ou kath'hen monon,

all'hosa per zê, panta kai gnôman echei.

(Eumaee, sapientia non uni tantum competit, sed quaecunque vivunt etiam intellectum habent.) Auch Porphyrius (de abstinentia, III, 21) ist bemüht, ausführlich darzutun, dass alle Tiere Verstand haben.

Daß nun Diesem so sei, folgt aus der Intellektualität der Anschauung notwendig. Alle Tiere, bis zum niedrigsten herab, müssen Verstand, d.h. Erkenntnis des Kausalitätsgesetzes, haben, wenn auch in sehr verschiedenem Grade der Feinheit und Deutlichkeit; aber stets wenigstens so viel, wie zur Anschauung mit ihren Sinnen erfordert ist: denn Empfindung ohne Verstand wäre nicht nur ein unnützes, sondern ein grausames Geschenk der Natur. Den Verstand der obern Tiere wird Keiner, dem es nicht selbst daran gebricht, in Zweifel ziehn. Aber auch dass ihre Erkenntnis der Kausalität wirklich a priori und nicht bloß aus der Gewohnheit, Dies auf Jenes folgen zu sehn, entsprungen ist, tritt bisweilen unleugbar hervor. Ein ganz junger Hund springt nicht vom Tisch herab, weil er die Wirkung antizipiert. Vor Kurzem hatte ich in meinem Schlafzimmer große, bis zur Erde herabreichende Fenstergardinen anbringen lassen, von der Art, die in der Mitte auseinanderfährt, wenn man eine Schnur zieht: als ich nun Dies zum ersten Mal, Morgens beim Aufstehen, ausführte, bemerkte ich, zu meiner Überraschung, dass mein sehr kluger Pudel ganz verwundert dastand und sich, aufwärts und seitwärts, nach der Ursache des Phänomens umsah, also die Veränderung suchte, von der er a priori wußte, dass sie vorhergegangen sein müsse: das Selbe wiederholte sich noch am folgenden Morgen. — Aber auch die untersten Tiere, sogar noch der Wasserpolyp, ohne gesonderte Sinneswerkzeuge, wann er, auf seiner Wasserpflanze, um in helleres Licht zu kommen, mit seinen Armen sich anklammernd, von Blatt zu Blatt wandert, hat Wahrnehmung, folglich Verstand.

Und von diesem untersten Verstande ist der des Menschen, den wir jedoch von dessen Vernunft deutlich sondern, nur dem Grade nach verschieden; während alle dazwischen liegenden Stufen von der Reihe der Tiere ausgefüllt werden, deren oberste Glieder, also Affe, Elephant, Hund, uns durch ihren Verstand in Erstaunen setzen. Aber immer und immer besteht die Leistung des Verstandes in unmittelbarem Auffassen der kausalen Verhältnisse, zuerst, wie gezeigt, zwischen dem eigenen Leib und den andern Körpern, woraus die objektive Anschauung hervorgeht; dann zwischen diesen objektiv angeschauten Körpern unter einander, wo nun, wie wir im vorigen § gesehn haben, das Kausalitätsverhältnis unter drei verschiedenen Formen auftritt, nämlich als Ursache, als Reiz und als Motiv, nach welchen Dreien sodann alle Bewegung auf der Welt vorgeht und vom Verstande allein verstanden wird. Sind es nun, von jenen Dreien, die Ursachen, im engsten Sinne, denen er nachspürt; dann schafft er Mechanik, Astronomie, Physik, Chemie, und erfindet Maschinen, zum Heil und zum Verderben: stets aber liegt allen seinen Entdeckungen, in letzter Instanz, ein unmittelbares intuitives Auffassen der ursächlichen Verbindung zum Grunde. Denn dieses ist die alleinige Form und Funktion des Verstandes, keineswegs aber das komplizierte Räderwerk der zwölf Kantischen Kategorien, deren Nichtigkeit ich nachgewiesen habe. — Alles Verstehen ist ein unmittelbares und daher intuitives Auffassen des Kausalzusammenhangs, obwohl es sogleich in abstrakte Begriffe abgesetzt werden muß, um fixiert zu werden. Daher ist Rechnen nicht Verstehen und liefert an sich kein Verständnis der Sachen. Dies erhält man nur auf dem Wege der Anschauung, durch richtige Erkenntnis der Kausalität und geometrische Konstruktion des Hergangs; wie solche Euler besser als irgend jemand gegeben hat; weil er die Sachen von Grund aus verstand. Das Rechnen hingegen hat es mit lauter abstrakten Größenbegriffen zu tun, deren Verhältnis zu einander es feststellt. Dadurch erlangt man nie das mindeste Verständnis eines physischen Vorgangs. Denn zu einem solchen ist erfordert anschauliche Auffassung der räumlichen Verhältnisse, mittelst welcher die Ursachen wirken. Das Rechnen bestimmt das Wieviel und Wiegroß, ist daher zur Praxis unentbehrlich. Sogar kann man sagen: wo das Rechnen anfängt, hört das Verstehen auf: denn der mit Zahlen beschäftigte Kopf ist, während er rechnet, dem kausalen Zusammenhang und der geometrischen Konstruktion des physischen Hergangs gänzlich entfremdet: er steckt in lauter abstrakten Zahlenbegriffen. Das Resultat aber besagt nie mehr, als Wieviel; nie Was. Mit l'experience et le calcul, diesem Waidspruch der französischen Physiker, reicht man also keineswegs aus. — Sind hingegen die Reize der Leitfaden des Verstandes; so wird er Physiologie der Pflanzen und Tiere, Therapie und Toxikologie zu Stande bringen. Hat er endlich sich auf die Motivation geworfen; dann wird er entweder sie bloß theoretisch zum Leitfaden gebrauchen, um Moral, Rechtslehre, Geschichte, Politik, auch dramatische und epische Poesie, zu Tage zu fördern; oder aber sich ihrer praktisch bedienen, entweder bloß um Tiere abzurichten, oder sogar um das Menschengeschlecht nach seiner Pfeife tanzen zu lassen, nachdem er glücklich an jeder Puppe das Fädchen herausgefunden hat, an welchem gezogen sie sich beliebig bewegt. Ob er nun die Schwere der Körper, mittelst der Mechanik, zu Maschinen so klug benutzt, dass ihre Wirkung, gerade zu rechter Zeit eintretend, seiner Absicht in die Hände spielt; oder ob er eben so die gemeinsamen, oder die individuellen Neigungen der Menschen zu seinen Zwecken ins Spiel versetzt, ist, hinsichtlich der dabei tätigen Funktion, das Selbe. In dieser praktischen Anwendung nun wird der Verstand Klugheit, und, wenn sie mit Überlistung Anderer geschieht, Schlauheit genannt, auch wohl, wenn seine Zwecke sehr geringfügig sind, Pfiffigkeit, auch, wenn sie mit dem Nachteil Anderer verknüpft sind, Verschmitztheit. Hingegen heißt er im bloß theoretischen Gebrauch Verstand schlechtweg, in den hohem Graden aber alsdann Scharfsinn, Einsicht, Sagazität, Penetration; sein Mangel hingegen Stumpfheit, Dummheit, Pinselhaftigkeit u.s.w. Diese höchst verschiedenen Grade seiner Schärfe sind angeboren und nicht zu erlernen; wiewohl Übung und Kenntnis des Stoffs überall zur richtigen Handhabung erfordert sind; wie wir dies ja selbst an seiner ersten Anwendung, also an der empirischen Anschauung, gesehn haben, Vernunft hat jeder Tropf: gibt man ihm die Prämissen, so vollzieht er den Schluß. Aber der Verstand liefert die primäre Erkenntnis, folglich die intuitive, und da liegen die Unterschiede. Demgemäß ist auch der Kern jeder großen Entdeckung, wie auch jedes welthistorischen Plans, das Erzeugnis eines glücklichen Augenblicks, in welchem, durch Gunst äußerer und innerer Umstände, dem Verstande komplizierte Kausalreihen, oder verborgene Ursachen tausend Mal gesehener Phänomene, oder nie betretene, dunkle Wege, sich plötzlich erhellen. —


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