§ 14. Über die Beweise des Satzes


Noch ist zu erwähnen, dass man mehrmals vergeblich versucht hat, den Satz vom zureichenden Grund überhaupt zu beweisen, meistens ohne genau zu bestimmen, in welcher Bedeutung man ihn nahm. Z.B. Wolf in der Ontologie § 70, welchen Beweis Baumgarten in der Metaphysik § 20 wiederholt. Es wäre überflüssig, ihn auch hier zu wiederholen und zu widerlegen, da es in die Augen fällt, dass er auf einem Wortspiel beruht. Platner in den Aphorismen § 828, Jakob in der Logik und Metaphysik (S. 38. 1794), haben andere Beweise versucht, in denen der Zirkel sehr leicht zu erkennen ist. Von Kants Beweise soll, wie gesagt, weiter unten geredet werden. Da ich durch diese Abhandlung die verschiedenen Gesetze unsers Erkenntnisvermögens, deren gemeinschaftlicher Ausdruck der Satz vom zureichenden Grunde ist, aufzuweisen hoffe; so wird sich von selbst ergeben, dass der Satz überhaupt nicht zu beweisen ist, sondern von allen jenen Beweisen (mit Ausnahme des Kantischen, als welcher nicht auf die Gültigkeit, sondern auf die Apriorität des Kausalitätsgesetzes gerichtet ist) gilt was Aristoteles sagt: logon zêtousi hôn ouk esti logos; apodeixeôs gar archê ouk apodeixis esti[n] Metaph III, 6. (rationem eorum quaerunt, quorum non est ratio: demonstrationis enim principium non est demonstratio), womit zu vergleichen Analyt. post. I, 3. Denn jeder Beweis ist die Zurückführung des Zweifelhaften auf ein Anerkanntes, und wenn wir von diesem, was es auch sei, immer wieder einen Beweis fordern, so werden wir zuletzt auf gewisse Sätze geraten, welche die Formen und Gesetze, und daher die Bedingungen alles Denkens und Erkennens ausdrücken, aus deren Anwendung mithin alles Denken und Erkennen besteht; so dass Gewißheit nichts weiter ist, als Übereinstimmung mit ihnen, folglich ihre eigene Gewißheit nicht wieder aus andern Sätzen erhellen kann. Wir werden im 5. Kapitel die Art der Wahrheit solcher Sätze erörtern.

Einen Beweis für den Satz vom Grunde insbesondere zu suchen, ist überdies eine spezielle Verkehrtheit, welche von Mangel an Besonnenheit zeugt. Jeder Beweis nämlich ist die Darlegung des Grundes zu einem ausgesprochenen Urteil, welches eben dadurch das Prädikat wahr erhält. Eben von diesem Erfordernis eines Grundes für jedes Urteil ist der Satz vom Grunde der Ausdruck. Wer nun einen Beweis, d.i. die Darlegung eines Grundes, für ihn fordert, setzt ihn eben hiedurch schon als wahr voraus, ja, stützt seine Forderung eben auf diese Voraussetzung. Er geräth also in diesen Zirkel, dass er einen Beweis der Berechtigung, einen Beweis zu fordern, fordert.


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