§ 10. Wolf


Wolf ist also der Erste, welcher die beiden Hauptbedeutungen unsers Grundsatzes ausdrücklich gesondert und ihren Unterschied auseinandergesetzt hat. Er stellt jedoch den Satz vom zureichenden Grunde noch nicht, wie es jetzt geschieht, in der Logik auf, sondern in der Ontologie. Daselbst dringt er zwar schon § 71 darauf, dass man den Satz vom zureichenden Grund der Erkenntnis nicht mit dem der Ursache und Wirkung verwechseln solle, bestimmt hier aber doch nicht deutlich den Unterschied und begeht selbst Verwechselungen, indem er eben hier im Kapitel de ratione sufficiente §§ 70, 74, 75, 77, zum Beleg für das principium rationis sufficientis Beispiele von Ursache und Wirkung und Motiv und Handlung anführt, die, wenn er jene Unterscheidung machen will, im Kapitel de causis des selben Werks angeführt werden müßten. In diesem nun führt er wieder ganz ähnliche Beispiele an und stellt auch hier wieder das principium cognoscendi auf (§ 876), das zwar, als oben bereits abgehandelt, nicht hieher gehört, jedoch dient, die bestimmte und deutliche Unterscheidung desselben vom Gesetz der Kausalität einzuführen, welche sodann §§ 881-884 folgt. Principium, sagt er hier ferner, dicitur id, quod in se continet rationem alterius, und er unterscheidet drei Arten desselben, nämlich: 1) principium fiendi (causa), das er definiert als ratio actualitatis alterius; e. gr. si lapis calescit, ignis aut radii solares sunt rationes, cur calor lapidi insit. 2) principium essendi, das er definiert: ratio possibilitatis alterius; in eodem exemplo, ratio possibilitatis, cur lapis calorem recipere possit, est in essentia seu modo compositionis lapidis. Dies letztere scheint mir ein unstatthafter Begriff. Möglichkeit überhaupt ist, wie Kant zur Genüge gezeigt hat, Übereinstimmung mit den uns a priori bewußten Bedingungen aller Erfahrung. Aus diesen wissen wir, in Beziehung auf Wolf's Beispiel vom Stein, dass Veränderungen als Wirkungen von Ursachen möglich sind, d.h. dass ein Zustand auf einen andern folgen kann, wenn dieser die Bedingungen zu jenem enthält: hier finden wir, als Wirkung, den Zustand des Warmseins des Steins, und, als Ursache, den ihm vorhergehenden der endlichen Wärmekapazität des Steins und seiner Berührung mit freier Wärme. Daß nun Wolf die zuerst genannte Beschaffenheit dieses Zustandes principium essendi und die zweite principium fiendi nennen will, beruht auf einer Täuschung, die ihm daraus entsteht, dass die auf der Seite des Steins liegenden Bedingungen bleibender sind und daher auf die übrigen länger warten können. Daß nämlich der Stein ein solcher ist, wie er ist, von solcher chemischen Beschaffenheit, die so und so viel spezifische Wärme, folglich eine im umgekehrten Verhältnis derselben stehende Wärmekapazität mit sich bringt, ist, eben wie andererseits sein in Berührung mit freier Wärme kommen, Folge einer Kette früherer Ursachen, sämmtlich principiorum fiendi: das Zusammentreffen beiderseitiger Umstände aber macht allererst den Zustand aus, der, als Ursache, die Erwärmung, als Wirkung, bedingt. Nirgends bleibt dabei Raum für Wolf's principium essendi, das ich daher nicht anerkenne und über welches ich hier teils deshalb etwas ausführlich gewesen bin, weil ich den Namen in einer ganz andern Bedeutung unten gebrauchen werde, und teils weil die Erörterung beiträgt, den wahren Sinn des Kausalitätsgesetzes faßlich zu machen. 3) unterscheidet Wolf, wie gesagt, principium cognoscendi, und unter causa führt er noch an causa impulsiva, sive ratio voluntatem detereminans.


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