§ 7. Cartesius
Denn sogar unsern vortrefflichen Cartesius, den Anreger der subjektiven Betrachtung und dadurch den Vater der neueren Philosophie, finden wir, in dieser Hinsicht, noch in kaum erklärlichen Verwechselungen begriffen, und werden sogleich sehn, zu welchen ernstlichen und beklagenswerten Folgen diese in der Metaphysik geführt haben. Er sagt in der responsio ad secundas objectiones in meditationes de prima philosophia, axioma I: Nulla res existit, de qua non possit quaeri, quaenam sit causa, cur existat. Hoc enim de ipso Deo quaeri potest, non quod indigeat ulla causa ut existat, sed quia ipsa ejus naturae immensitas est causa sive ratio, propter quam nulla causa indiget ad existendum. Er hätte sagen müssen: die Unermeßlichkeit Gottes ist ein Erkenntnisgrund, aus welchem folgt, dass Gott keiner Ursache bedarf. Er vermengt jedoch Beides, und man sieht, dass er sich des großen Unterschiedes zwischen Ursache und Erkenntnisgrund nicht deutlich bewußt ist. Eigentlich aber ist es die Absicht, welche bei ihm die Einsicht verfälscht. Er schiebt nämlich hier, wo das Kausalitätsgesetz eine Ursache fordert, statt dieser einen Erkenntnisgrund ein, weil ein solcher nicht gleich wieder weiter führt, wie jene; und bahnt sich so, durch eben dieses Axiom, den Weg zum ontologischen Beweise des Daseins Gottes, dessen Erfinder er ward, nachdem Anselmus nur die Anleitung dazu im Allgemeinen geliefert hatte. Denn gleich nach den Axiomen, von denen das angeführte das erste ist, wird nun dieser ontologische Beweis förmlich und ganz ernsthaft aufgestellt: ist er ja doch in jenem Axiom eigentlich schon ausgesprochen, oder liegt wenigstens so fertig darin, wie das Hühnchen im lange bebrüteten Eie. Also, während alle andern Dinge zu ihrem Dasein einer Ursache bedürfen, genügt dem auf der Leiter des kosmologischen Beweises herangebrachten Gotte, statt derselben, die in seinem eigenen Begriffe liegende immensitas: oder, wie der Beweis selbst sich ausdrückt: in conceptu entis summe perfecti existentia necessaria continetur. Dies also ist der tour de passe-passe, zu welchem man die schon dem Aristoteles geläufige Verwechselung der beiden Hauptbedeutungen des Satzes vom Grunde, sogleich in majorem Dei gloriam, gebrauchte.
Beim Lichte und unbefangen betrachtet ist nun dieser berühmte ontologische Beweis wirklich eine allerliebste Schnurre. Da denkt nämlich Einer, bei irgend einer Gelegenheit, sich einen Begriff aus, den er aus allerlei Prädikaten zusammengesetzt, dabei jedoch Sorge trägt, dass unter diesen, entweder blank und baar, oder aber, welches anständiger ist, in ein anderes Prädikat, z.B. perfectio, immensitas, oder so etwas, eingewickelt, auch das Prädikat der Realität oder Existenz sei. Bekanntlich kann man aus einem gegebenen Begriffe alle seine wesentlichen, d.h. in ihm mit gedachten, Prädikate, und eben so auch die wesentlichen Prädikate dieser Prädikate, mittelst lauter analytischer Urteile, herausziehn, welche demnach logische Wahrheit, d.h. an dem gegebenen Begriff ihren Erkenntnisgrund haben. Demgemäß holt nun Jener aus seinem beliebig erdachten Begriff auch das Prädikat der Realität, oder Existenz, heraus: und darum nun soll ein dem Begriff entsprechender Gegenstand, unabhängig von demselben, in der Wirklichkeit existieren!
»Wär'der Gedank'nicht so verwünscht gescheut,
Man wär'versucht ihn herzlich dumm zu nennen.«
Übrigens ist die einfache Antwort auf eine solche ontologische Demonstration: »Es kommt Alles darauf an, wo du deinen Begriff her hast: ist er aus der Erfahrung geschöpft; à la bonne heure, da existiert sein Gegenstand und bedarf keines weitem Beweises: ist er hingegen in deinem eigenen sinciput ausgeheckt; da helfen ihm alle seine Prädikate nichts: er ist eben ein Hirngespinst.« Daß aber die Theologie, um in dem ihr ganz fremden Gebiet der Philosophie, als wo sie gar zu gerne wäre, Fuß zu fassen, zu dergleichen Beweisen hat ihre Zuflucht nehmen müssen, erregt ein sehr ungünstiges Vorurteil gegen ihre Ansprüche. — Aber o! über die prophetische Weisheit des Aristoteles! Er hatte nie etwas vernommen vom ontologischen Beweise; aber, als sähe er vor sich in die Nacht der kommenden finstern Zeiten, erblickte darin jene scholastische Flause und wollte ihr den Weg verrennen, demonstriert er sorgfältig, im 7. Kapitel des 2. Buchs Analyticorum posteriorum, dass die Definition einer Sache und der Beweis ihrer Existenz zwei verschiedene und ewig geschiedene Dinge sind, indem wir durch das eine erfahren, was gemeint sei, durch das andere aber, dass so etwas existiere: und wie ein Orakel der Zukunft spricht er die Sentenz aus: to d'einai ouk ousia oudeni; ou gar genos to on: esse autem nullius rei essentia est, quandoquidem ens non est genus. Das besagt: »Die Existenz kann nie zur Essenz, das Dasein nie zum Wesen des Dinges gehören.« — Wie sehr hingegen Herr v. Schelling den ontologischen Beweis veneriert, ist zu ersehn aus einer langen Note S. 152 des ersten Bandes seiner philosophischen Schriften von 1809. Aber etwas noch Lehrreicheres ist daraus zu ersehn, nämlich, wie dreistes, vornehmthuendes Schwadroniren hinreicht, den Deutschen Sand in die Augen zu streuen. Daß aber gar ein so durchweg erbärmlicher Patron, wie Hegel, dessen ganze Philosophasterei eigentlich eine monströse Amplifikation des ontologischen Beweises war, diesen gegen Kants Kritik hat verteidigen wollen, ist eine Allianz, deren der ontologische Beweis selbst sich schämen würde, so wenig sonst das Schämen seine Sache ist. — Man erwarte nur nicht, dass ich mit Achtung von Leuten spreche, welche die Philosophie in Verachtung gebracht haben.