§ 23. Bestreitung des von Kant aufgestellten Beweises der Apriorität des Kausalitätsbegriffes


Die Darlegung der Allgemeingültigkeit des Gesetzes der Kausalität für alle Erfahrung, seiner Apriorität und seiner eben aus dieser folgenden Beschränkung auf die Möglichkeit der Erfahrung ist ein Hauptgegenstand der Kritik der reinen Vernunft. Jedoch kann ich dem daselbst gegebenen Beweis der Apriorität des Satzes nicht beistimmen. Er ist im Wesentlichen folgender: »Die zu aller empirischen Kenntnis nötige Synthesis des Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft gibt Sukzession, aber noch keine bestimmte: d.h. sie läßt unbestimmt, welcher von zwei wahrgenommenen Zuständen, nicht nur in meiner Einbildungskraft, sondern im Objekt, vorausgehe. Bestimmte Ordnung aber dieser Sukzession, durch welche allein das Wahrgenommene Erfahrung wird, d.h. zu objektiv gültigen Urteilen berechtigt, kommt erst hinein durch den reinen Verstandesbegriff von Ursache und Wirkung. Also ist der Grundsatz des Kausalverhältnisses Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung, und als solche uns a priori gegeben.« (Siehe Kritik der reinen Vernunft, 1. Aufl., S. 201; 5. Aufl., S. 246.) Danach also soll die Ordnung der Sukzession der Veränderungen realer Objekte allererst vermittelst der Kausalität derselben für eine objektive erkannt werden. Kant wiederholt und erläutert diese Behauptung, in der Kritik der reinen Vernunft, besonders in seiner »zweiten Analogie der Erfahrung« (1. Aufl., S. 189; vollständiger in der 5. Aufl., S. 232), sodann am Schlusse seiner »dritten Analogie«, welche Stellen ich Jeden, der das Folgende verstehen will, nachzulesen bitte. Er behauptet hier überall, dass die Objektivität der Sukzession der Vorstellungen, welche er als ihre Übereinstimmung mit der Sukzession realer Objekte erklärt, lediglich erkannt werde durch die Regel, nach der sie einander folgen, d.h. durch das Gesetz der Kausalität; dass also durch meine bloße Wahrnehmung das objektive Verhältnis auf einander folgender Erscheinungen völlig unbestimmt bleibe, indem ich alsdann bloß die Folge meiner Vorstellungen wahrnehme, die Folge in meiner Apprehension aber zu keinem Urteil über die Folge im Objekt berechtigt, wenn mein Urteil sich nicht auf das Gesetz der Kausalität stützt; indem ich außerdem, in meiner Apprehension, die Sukzession der Wahrnehmungen auch in ganz umgekehrter Ordnung könnte gehn lassen, da nichts ist, was sie als objektiv bestimmt. Zur Erläuterung dieser Behauptung führt er das Beispiel eines Hauses an, dessen Teile er in jeder beliebigen Sukzession, z.B. von oben nach unten, und von unten nach oben betrachten kann, wo also die Bestimmung der Sukzession bloß subjektiv wäre und in keinem Objekt begründet, weil sie von seiner Willkür abhängt. Und als Gegensatz stellt er die Wahrnehmung eines den Strohm herabfahrenden Schiffes auf, das er zuerst oberhalb und sukzessive immer mehr unterhalb des Laufs des Stroms wahrnimmt, welche Wahrnehmung der Sukzession der Stellen des Schiffs er nicht ändern kann: daher er hier die subjektive Folge seiner Apprehension ableitet von der objektiven Folge in der Erscheinung, die er deshalb eine Begebenheit nennt. Ich behaupte dagegen, dass beide Fälle gar nicht unterschieden sind, dass beides Begebenheiten sind, deren Erkenntnis objektiv ist, d.h. eine Erkenntnis von Veränderungen realer Objekte, die als solche vom Subjekt erkannt werden. Beides sind Veränderungen der Lage zweier Körper gegen einander. Im ersten Fall ist einer dieser Körper der eigene Leib des Betrachters und zwar nur ein Teil desselben, nämlich das Auge, und der andere ist das Haus, gegen dessen Teile die Lage des Auges sukzessive geändert wird.

Im zweiten Fall ändert das Schiff seine Lage gegen den Strohm, also ist die Veränderung zwischen zwei Körpern. Beides sind Begebenheiten: der einzige Unterschied ist, dass im ersten Fall die Veränderung ausgeht vom eigenen Leibe des Beobachters, dessen Empfindungen zwar der Ausgangspunkt aller Wahrnehmungen desselben sind, der jedoch nichtsdestoweniger ein Objekt unter Objekten, mithin den Gesetzen dieser objektiven Körperwelt unterworfen ist. Die Bewegung seines Leibes nach seinem Willen ist für ihn, sofern er sich rein erkennend verhält, bloß eine empirisch wahrgenommene Tatsache. Die Ordnung der Sukzession der Veränderung könnte so gut im zweiten, wie im ersten Fall, umgekehrt werden, sobald nur der Betrachter eben so wohl die Kraft hätte, das Schiff strohmaufwärts zu ziehn, wie die, sein Auge in einer der ersten entgegengesetzten Richtung zu bewegen. Denn daraus, dass die Sukzession der Wahrnehmungen der Teile des Hauses von seiner Willkür abhängt, will Kant abnehmen, dass sie keine objektive und keine Begebenheit sei. Aber das Bewegen seines Auges in der Richtung vom Dach zum Keller ist eine Begebenheit und die entgegengesetzte vom Keller zum Dach eine zweite, so gut wie das Fahren des Schiffs. Es ist hier gar kein Unterschied; so wie, in Hinsicht auf das Begebenheitsein oder nicht, kein Unterschied ist, ob ich an einer Reihe Soldaten vorbeigehe, oder diese an mir: beides sind Begebenheiten. Fixire ich, vom Ufer aus, den Blich auf ein diesem nahe vorbeifahrendes Schiff; so wird es mir bald scheinen, dass das Ufer mit mir sich bewege und das Schiff stillestehe: hiebei bin ich nun zwar in der Ursache der relativen Ortsveränderung irre, da ich die Bewegung einem falschen Objekte zuschreibe; aber die reale Sukzession der relativen Stellungen meines Leibes zum Schiff erkenne ich dennoch objektiv und richtig. Kant würde auch, in dem von ihm aufgestellten Fall, nicht geglaubt haben, einen Unterschied zu finden, hätte er bedacht, dass sein Leib ein Objekt unter Objekten ist und dass die Sukzession seiner empirischen Anschauungen abhängt von der Sukzession der Einwirkungen anderer Objekte auf seinen Leib, folglich eine objektive ist, d.h. unter Objekten, unmittelbar (wenn auch nicht mittelbar) unabhängig von der Willkür des Subjekts, Statt hat, folglich sehr wohl erkannt werden kann, ohne dass die sukzessive auf seinen Leib einwirkenden Objekte in einer Kausalverbindung unter einander stehen.

Kant sagt: die Zeit kann nicht wahrgenommen werden: also empirisch läßt sich keine Sukzession von Vorstellungen als objektiv wahrnehmen, d.h. als Veränderungen der Erscheinungen unterscheiden von den Veränderungen bloß subjektiver Vorstellungen. Nur durch das Gesetz der Kausalität, welches eine Regel ist, nach der Zustände einander folgen, läßt sich die Objektivität einer Veränderung erkennen. Und das Resultat seiner Behauptung würde sein, dass wir gar keine Folge in der Zeit als objektiv wahrnehmen, ausgenommen die von Ursache und Wirkung, und dass jede andere von uns wahrgenommene Folge von Erscheinungen bloß durch unsere Willkür so und nicht anders bestimmt sei. Ich muß gegen alles Dieses anführen, dass Erscheinungen sehr wohl auf einander folgen können, ohne aus einander zu erfolgen. Und Dies tut dem Gesetz der Kausalität keinen Abbruch. Denn es bleibt gewiß, dass jede Veränderung Wirkung einer andern ist, da Dies a priori fest steht: nur folgt sie nicht bloß auf die einzige, die ihre Ursache ist, sondern auf alle andern, die mit jener Ursache zugleich sind und mit denen sie in keiner Kausalverbindung steht. Sie wird nicht gerade in der Folge der Reihe der Ursachen von mir wahrgenommen; sondern in einer ganz andern, die aber deshalb nicht minder objektiv ist und von einer subjektiven, von meiner Willkür abhängigen, dergleichen z.B. die meiner Phantasmen ist, sich sehr unterscheidet. Das Aufeinanderfolgen in der Zeit von Begebenheiten, die nicht in Kausalverbindung stehen, ist eben was man Zufall nennt, welches Wort vom Zusammentreffen, Zusammenfallen, des nicht Verknüpften herkommt: eben so to symbebêkos von symbainein. (Vergl. Arist. Anal. post. I. 4.) Ich trete vor die Hausthür, und darauf fällt ein Ziegel vom Dach, der mich trifft; so ist zwischen dem Fallen des Ziegels und meinem Heraustreten keine Kausalverbindung, aber dennoch die Sukzession, dass mein Heraustreten dem Fallen des Ziegels vorherging, in meiner Apprehension objektiv bestimmt und nicht subjektiv durch meine Willkür, die sonst wohl die Sukzession umgekehrt haben würde. Eben so ist die Sukzession der Töne einer Musik objektiv bestimmt und nicht subjektiv durch mich, den Zuhörer; aber wer wird sagen, dass die Töne der Musik nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung auf einander folgen? Ja sogar die Sukzession von Tag und Nacht wird ohne Zweifel objektiv von uns erkannt, aber gewiß werden sie nicht als Ursache und Wirkung von einander aufgefaßt, und über ihre gemeinschaftliche Ursache war die Welt bis auf Kopernikus im Irrtum, ohne dass die richtige Erkenntnis ihrer Sukzession darunter zu leiden gehabt hätte. Hiedurch wird, beiläufig gesagt, auch Hume's Hypothese widerlegt; da die älteste und ausnahmsloseste Folge von Tag und Nacht doch nicht, vermöge der Gewohnheit, irgend Einen verleitet hat, sie für Ursache und Wirkung von einander zu halten.

Kant sagt a. a. O., dass eine Vorstellung nur dadurch objektive Realität zeige (das heißt doch wohl von bloßen Phantasmen unterschieden werde), dass wir ihre notwendige und einer Regel (dem Kausalgesetz) unterworfene Verbindung mit andern Vorstellungen und ihre Stelle in einer bestimmten Ordnung des Zeitverhältnisses unserer Vorstellungen erkennen. Aber von wie wenigen Vorstellungen erkennen wir die Stelle, die ihnen das Kausalgesetz in der Reihe der Ursachen und Wirkungen gibt! und doch wissen wir immer die objektiven von den subjektiven, reale Objekte von Phantasmen zu unterscheiden. Im Schlafe, als in welchem das Gehirn vom peripherischen Nervensystem und dadurch von äußern Eindrücken isoliert ist, können wir jene Unterscheidung nicht machen, daher wir, während wir träumen, Phantasmen für reale Objekte halten und erst beim Erwachen, d.h. dem Wiedereintritt der sensibeln Nerven und dadurch der Außenwelt ins Bewußtsein, den Irrtum erkennen, obgleich auch im Traum, so lange er nicht abbricht, das Gesetz der Kausalität sein Recht behauptet, nur dass ihm oft ein unmöglicher Stoff untergeschoben wird. Fast möchte man glauben, dass Kant, bei obiger Stelle, unter Leibnizens Einfluß gestanden hat, so sehr er auch sonst diesem, in seiner ganzen Philosophie, entgegengesetzt ist; wenn man nämlich beachtet, dass ganz ähnliche Äußerungen sich in Leibnizens Nouveaux essais sur l'entendement(Liv. IV, ch. 2, § 14) finden, z.B. la vérité des choses sensibles ne consiste que dans la liaison des phénomènes, qui doit avoir sa raison, et c'estce qui les distingue des songes. — — — — Le vrai Critérion, en matière des objets des sens, est la liaison des phénomènes, qui garantit les vérités de fait, a l'égarddes choses sensibles hors de nous.

Bei diesem ganzen Beweise der Apriorität und Notwendigkeit des Kausalitätsgesetzes, daraus, dass wir nur durch dessen Vermittelung die objektive Sukzession der Veränderungen erkennten und es insofern Bedingung der Erfahrung wäre, ist Kant offenbar in einen höchst wunderlichen und so palpabeln Irrtum geraten, dass derselbe nur zu erklären ist als eine Folge seiner Vertiefung in den apriorischen Teil unserer Erkenntnis, welche ihn aus den Augen verlieren ließ was sonst Jeder hätte sehn müssen. Den allein richtigen Beweis der Apriorität des Kausalitätsgesetzes habe ich § 21 gegeben. Bestätigt wird dieselbe jeden Augenblick durch die unerschütterliche Gewißheit, mit der Jeder in allen Fällen von der Erfahrung erwartet, dass sie diesem Gesetze gemäß ausfalle, d.h. durch die Apodiktizität, die wir selbigem beilegen, die sich von jeder andern auf Induktion gegründeten Gewißheit, z.B. der empirisch erkannter Naturgesetze, dadurch unterscheidet, dass es uns sogar zu denken unmöglich ist, dass dieses Gesetz irgendwo in der Erfahrungswelt eine Ausnahme leide. Wir können uns z.B. denken, dass das Gesetz der Gravitation ein Mal aufhörte zu wirken, nicht aber dass dieses ohne eine Ursache geschähe.

Kant in seinem Beweise ist in den, dem des Hume entgegengesetzten Fehler geraten. Dieser nämlich erklärte alles Erfolgen für bloßes Folgen: Kant hingegen will, dass es kein anderes Folgen gebe, als das Erfolgen. Der reine Verstand freilich kann allein das Erfolgen begreifen, das bloße Folgen aber so wenig wie den Unterschied zwischen rechts und links, welcher nämlich, eben wie das Folgen, bloß durch die reine Sinnlichkeit zu erfassen ist. Die Folge der Begebenheiten in der Zeit kann allerdings (was Kant a. a. O. leugnet) empirisch erkannt werden, so gut wie das Nebeneinandersein der Dinge im Raum. Die Art aber, wie etwas auf ein Anderes in der Zeit überhaupt folge, ist so wenig zu erklären, als die Art, wie etwas aus einem Anderen erfolge: jene Erkenntnis ist durch die reine Sinnlichkeit, diese durch den reinen Verstand gegeben und bedingt. Kant aber, indem er objektive Folge der Erscheinungen für bloß durch den Leitfaden der Kausalität erkennbar erklärt, verfällt in den selben Fehler, den er (Kr. d. r. V., I. Aufl., S. 275; 5. Aufl., S. 331) dem Leibniz vorwirft, »dass er die Formen der Sinnlichkeit intellektuiere.« — Über die Sukzession ist meine Ansicht diese. Aus der zur reinen Sinnlichkeit gehörigen Form der Zeit schöpfen wir die Kenntnis der bloßen Möglichkeit der Sukzession. Die Sukzession der realen Objekte, deren Form eben die Zeit ist, erkennen wir empirisch und folglich als wirklich. Die Notwendigkeit aber einer Sukzession zweier Zustände, d.h. einer Veränderung, erkennen wir bloß durch den Verstand, mittelst der Kausalität: und dass wir den Begriff von Notwendigkeit einer Sukzession haben, ist sogar schon ein Beweis davon, dass das Gesetz der Kausalität kein empirisch erkanntes, sondern ein uns a priori gegebenes ist. Der Satz vom zureichenden Grund überhaupt ist Ausdruck der im Innersten unsers Erkenntnisvermögens liegenden Grundform einer notwendigen Verbindung aller unserer Objekte, d.h. Vorstellungen: er ist die gemeinsame Form aller Vorstellungen und der alleinige Ursprung des Begriffes der Notwendigkeit, als welcher schlechterdings keinen andern wahren Inhalt, noch Beleg, hat, als den des Eintritts der Folge, wenn ihr Grund gesetzt ist. Daß in der Klasse von Vorstellungen, die wir jetzt betrachten, wo jener Satz als Gesetz der Kausalität auftritt, derselbe die Zeitfolge bestimmt, kommt daher, dass die Zeit die Form dieser Vorstellungen ist, daher denn die notwendige Verbindung hier als Regel der Sukzession erscheint. In andern Gestalten des Satzes vom zureichenden Grunde wird uns die notwendige Verbindung, die er überall heischt, in ganz andern Formen, als die Zeit, und folglich nicht als Sukzession erscheinen, aber immer den Charakter einer notwendigen Verbindung beibehalten, wodurch sich die Identität des Satzes vom zureichenden Grunde in allen seinen Gestalten, oder vielmehr die Einheit der Wurzel aller Gesetze, deren Ausdruck jener Satz ist, offenbart.

Wäre die angefochtene Behauptung Kants richtig, so würden wir die Wirklichkeit der Sukzession bloß aus ihrer Notwendigkeit erkennen: dieses würde aber einen alle Reihen von Ursachen und Wirkungen zugleich umfassenden, folglich allwissenden Verstand voraussetzen. Kant hat dem Verstand das Unmögliche aufgelegt, bloß um der Sinnlichkeit weniger zu bedürfen.

Wie läßt sich Kants Behauptung, dass Objektivität der Sukzession allein erkannt werde aus der Notwendigkeit der Folge von Wirkung auf Ursache, vereinigen mit jener (Kr. d. rein. V., 1. Aufl., S. 203; 5. Aufl., S. 249), dass das empirische Kriterium, welcher von zwei Zuständen Ursache und welcher Wirkung sei, bloß die Sukzession sei? Wer sieht hier nicht den offenbarsten Zirkel?

Würde Objektivität der Sukzession bloß erkannt aus der Kausalität, so wäre sie nur als solche denkbar und wäre eben nichts als diese. Denn wäre sie noch etwas Anderes, so hätte sie auch andere unterscheidende Merkmale, an denen sie erkannt werden könnte, was eben Kant leugnet. Folglich könnte man, wenn Kant Recht hätte, nicht sagen: »Dieser Zustand ist Wirkung jenes, daher folgt er ihm.« Sondern Folgen und Wirkungsein wäre Eins und das Selbe und jener Satz tautologisch. Auch erhielte nach also aufgehobenem Unterschied von Folgen und Erfolgen Hume wieder Recht, der alles Erfolgen für bloßes Folgen erklärte, also ebenfalls jenen Unterschied leugnete.

Kants Beweis wäre also dahin einzuschränken, dass wir empirisch bloß Wirklichkeit der Sukzession erkennen: da wir aber außerdem auch Notwendigkeit der Sukzession in gewissen Reihen der Begebenheiten erkennen und sogar vor aller Erfahrung wissen, dass jede mögliche Begebenheit in irgend einer dieser Reihen eine bestimmte Stelle haben müsse; so folgt schon hieraus die Realität und Apriorität des Gesetzes der Kausalität, für welche Letztere der oben § 21 gegebene Beweis der allein richtige ist.

Mit Kants Lehre, dass objektive Sukzession nur möglich und erkennbar sei durch Kausalverknüpfung, geht eine andere parallel, dass nämlich Zugleichsein nur möglich und erkennbar sei durch Wechselwirkung; dargelegt in der Kritik der reinen Vernunft unter dem Titel »Dritte Analogie der Erfahrung.« Kant geht hierin so weit, zu sagen: »dass das Zugleichsein von Erscheinungen, die nicht wechselseitig auf einander wirkten, sondern etwan durch einen leeren Raum getrennt würden, kein Gegenstand einer möglichen Wahrnehmung sein würde« (Das wäre ein Beweis a priori, dass zwischen den Fixsternen kein leerer Raum sei): und »dass das Licht, das zwischen unserm Auge und den Weltkörpern spiele« (welcher Ausdruck den Begriff unterschiebt, als wirke nicht nur das Licht der Sterne auf unser Auge, sondern auch dieses auf jene), »eine Gemeinschaft zwischen uns und diesen bewirke und so das Zugleichsein der letztern beweise.« Dies Letztere ist sogar empirisch falsch; da der Anblick eines Fixsterns keineswegs beweist, dass er jetzt mit dem Beschauer zugleich sei; sondern höchstens, dass er vor einigen Jahren, oft nur, dass er vor Jahrtausenden dagewesen. Übrigens steht und fällt diese Lehre Kants mit jener ersteren, nur ist sie viel leichter zu durchschauen: zudem ist von der Nichtigkeit des ganzen Begriffes der Wechselwirkung schon oben § 20 geredet worden.

Mit dieser Bestreitung des in Rede stehenden Kantischen Beweises kann man beliebig zwei frühere Angriffe auf denselben vergleichen, nämlich den von Feder, in seinem Buche »über Raum und Kausalität«, § 29 und den von G. E. Schulze, in seiner Kritik der theoretischen Philosophie, Bd. 2, S. 422 fg.

Nicht ohne große Scheu habe ich es (1813) gewagt, Einwendungen vorzubringen gegen eine hauptsächliche, als erwiesen geltende und noch in den neuesten Schriften (z.B. Fries, Kritik der Vernunft, Bd. 2, S. 85) wiederholte Lehre jenes Mannes, dessen Tiefsinn ich bewundernd verehre und dem ich so Vieles und Großes verdanke, dass sein Geist in Homer's Worten zu mir sagen kann:

Achlyn d'autoi ap'ophthalmôn helon, hê prin epêen.


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