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IV. Seele und Sinne

"Sinn"

"Wie die Sinne," lautet ein altes Wort, "also auch die Wissenschaft." Wie die Sinne, also auch die Seele. Und von den Sinnen glauben wir mehr zu wissen als von der Seele. Die Sinne sind ja die Organe - wessen? Des Organismus. Was ist ein Organismus? Was Sinne hat.

Die Unsicherheit der Sprache wird auch hier fühlbarer, wenn man sich in den schwierigen Bedeutungswandel des Wortes "Sinn"' (ganz ähnlich im Franzözischen und Englischen) zu vertiefen sucht. Wie immer es da um den Einfluß von sensus steht, ob das lateinische Wort am Ende doch (trotz dem D. W.) etymologisch zu Grunde liegt, oder ob die Bedeutung sich in dieser oder jener Formel anlehnte, — in allen modernen Sprachen bemerken wir, daß das gleiche Wort ein weites Feld umfaßt: von den äußeren Werkzeugen der äußeren Wahrnehmung bis zur innersten Verbindung aller. Besonders im Deutschen ist das Durcheinander gar nicht historisch zu ordnen. "Sinn" bedeutet (um nur die hauptsächlichsten Sinne hervorzuheben): Seele, Gesinnung, Wille, unklare Absicht, Gemüt, dann den Inbegriff aller Verstandeskräfte (wer von Sinnen ist, ist wahnsinnig), das Bewußtsein im allgemeinen, die Empfänglichkeit, die Meinung, die Bedeutung, die Lust (Geschlechtstrieb wird der sechste Sinn genannt); ja in einigen Wendungen schickte sich "Sinn" schon an, wie das romanische "mente" (französisch ment) zu einer Adverbialendung zu werden. Mitten in diesem Gewirr nimmt "Sinn" den Sinn von Sinneswerkzeug an (im sechzehnten Jahrhundert); nicht ohne die Vorsicht, daß dann im Gegensatz zum Bewußtsein von äußeren (Megenberg: "auswendigen") Sinnen gesprochen wird. Darauf folgt erst wieder als Reaktion die Prägung des Begriffs "innerer Sinn", wo die alte Bedeutung sich gegen die neue behaupten will. Vergebens suchen wir in der Geschichte des Wortes nach einer reinlichen Scheidung zwischen der objektiven und der subjektiven Welt; zwischen einem subjektiven Sinn und den objektiven Sinnen.