Zum Hauptinhalt springen

Stimmen in der Nacht

Einer liegt nach gutem Mahle
tief im Bett als Hosenmatz.
In dem Bauch die Bierkaltschale,
auf dem Nachttisch Rudolf Stratz.
Wohlig blüht das Fett, das weiche,
populär im ganzen Reiche …
Knackten Möbel –?
Und er träumt von einem blassen
Grand-Ouvert mit lauter Assen …
Sprach da einer –?
In der Ecke zirpt es schwach.
Und man hört die Schränke knistern
und ein kleines Stimmchen flüstern:
»Fechenbach.«

Leicht gestörte Augenblicke
in dem Traum des Schlafgefechts.
Tiefer atmend wälzt der Dicke
sich behaglich-schwer nach rechts.
Seine Hand will sich verstecken
unter Kissen, unter Decken …

Ging da einer –?
Träume, Schlaf und Ruhe schwinden.
Und er kann sie nicht mehr finden …
Klappten Türen –?
Schläft er oder ist er wach –?
Aus den Fenstern, aus den Wänden
immer klingt es allerenden:
»Fechenbach! Fechenbach!«

Aufgerichtet, unruhvollen
Auges lauscht er in die Zeit.
Stimmen, die dem Nichts entquollen,
rufen aus der Dunkelheit:
»Während du auf bunten Messen
redetest, saß er vergessen
in der Zelle!
Legtest ab den Papagei-Eid:
Einigkeit und Recht und Freiheit …
Und die Zelle –?
Hör sein Weinen tausendfach!
Mensch, das Recht ist in Bedrängnis!
Gib ihn frei aus dem Gefängnis –!
Fechenbach!
    Fechenbach!
        Fechenbach!«

Aber er hatte immer, was das betraf,
eine gute Verdauung und guten Schlaf.

Theobald Tiger
Die Weltbühne, 19.06.1924, Nr. 25, S. 862.