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Die klassische Scheußlichkeit der Sportpreise

Wenn einer, und er kann so schön Tennis spielen, dass die Bälle wie die Flintenkugeln über das Netz schmettern, so schön, dass sich die Raketts biegen und durch die Reihen der Zuschauerinnen ein »Ah –« der Bewunderung läuft … dann bekommt er einen Preis. Das freut ihn. Uns anderen erscheint solch ein Sportpreis manchmal im Traum –, besonders nach schwereren Eierpuddings, zu denen ein stilloser Wirt uns Rotwein kredenzt hat. Dann tauchen aus dem Dunkel der Nacht die Sportpreise auf: fürchterliche, um und um verzierte Gebilde aus Silber, kein leerer Fleck ist an ihnen; wo der Fuß sein sollte, krümmt sich eine getretene Nymphe, hakenförmige Gebilde umringeln das Ganze, und obendrauf hat der Ornamenten-Vogel noch eins hingeklackst. Das muß so sein –, sonst ist es kein richtiger Preis.

Wer stellt wohl so etwas her? Es müssen Leute sein mit einer gestörten Verdauung und keinem guten Gewissen, böse Menschen, die sich voll Zorn an ihre Arbeit begeben und unter leichten Koliken dergleichen entwerfen. Anders ist das nicht zu erklären.

Vielleicht ist es besonders vornehm, einem Preisträger allemal etwas zu schenken, was er bestimmt nicht gebrauchen kann – das ist eben das Feine daran, würde Andersen sagen. Aber ihm zuzumuten, sich seine Zimmer mit Pokalen vollzustellen, aus denen nur Gespenster trinken können, und auch die nur, wenn sie sich den Hals ausrenken … das ist doch reichlich viel fürs Geld.

Sportpreise ändern ihr Aussehen nicht. Blättere in alten Zeitschriften, und du wirst da genau dieselben Silbereimer, Pokale, Tafelaufsätze und Schalen sehen … ich glaube, es sind auch immer dieselben Stücke; wahrscheinlich verkaufen die Gewinner sie heimlich, und dann bekommt sie der nächste. Silber ist geduldig.

Es muß eine geheimnisvolle Krankheit sein. Befallen werden von ihr regelmäßig jene Menschen, die von einer Gruppe dazu ausersehen sind, »unserm lieben und allverehrten … « ein kostbares Ehrengeschenk zu kaufen. Denn nicht nur die Preise für die Sportleute sind so erhaben schauderhaft, sondern auch die Geschenke, die man ersten Vizepräsidenten, scheidenden Schriftführern, hundertjährigen Filmzensoren und anderen Größen zu überreichen pflegt. Die Kommission begibt sich zu solchem Tun in ein nahe gelegenes Geschäft … nein, das glaube ich nicht. In Geschäften kann dergleichen unmöglich geführt werden … die Verkäufer hielten es nicht aus.

Sie begeben sich also in einen düstern Keller. Dortselbst treibt ein geschäftiger Gnom sein Wesen, Tobias Kitschandiewand heißt er; nachts tritt er das gute Silber zu scheußlichen Klumpen, und wenns fertig ist, dann ist es ein Ehrengeschenk. Keine Phantasie der Welt könnte sich ausmalen, was man mit so einem Ding wohl anstellte –, man kann nichts damit anstellen: es schmückt.

Dann kauft es die Kommission; dann prüft es die Gruppe – keiner will sich blamieren, alle finden es sehr schön. Dann naht im Gehrock der rüstige Jubilar, alle räuspern sich, und der Speech donnert auf ihn hernieder. »Fünfundsiebzig Jahre weilen Sie, sehr geehrter Herr Geheimrat, an dieser Stelle – fünfundsiebzig Jahre haben Sie dem deutschen Film zur Sittlichkeit, ja zur Tugend verholfen … Und so überreichen wir Ihnen denn … « Und so überreichen sie ihm denn.

Manchmal überleben Jubilare ihr Jubiläum nicht lange – es muß an den Ehrengeschenken liegen. Sportsleute sind abgehärteter.

Ich habe einmal in einer lieben deutschen Stadt die Fotografie eines Ehrengeschenks gesehen, das man dem Direktor eines Gaswerks gemacht hat – ich muß heute noch lachen: so schön war es. Das Ding, das inzwischen verdientermaßen eingeschmolzen ist, war ein silbergeformtes Gewürge, an dem alles, aber auch alles dargestellt war, was überhaupt nur mit Gas zu tun hatte: die kleinen Gnomen, die – husch, husch! – unter der Erde ihr Operettenwesen treiben; die Kohle und die Erde; die Flamme und das Feuer; das Gas und die Göttin des Gases, ich habe aber vergessen, wie die heißt –, es war alles da. Der Jubilar soll das Geschenk gefaßt entgegengenommen haben; jedenfalls sind alle überreichenden Amtspersonen mit dem Leben davongekommen.

Und so legen wir denn der Hochschule für Leibesübungen diese Doktorfrage vor:

»Inwieso haben alle Sportpreise hartkantige Silbergeschwüre, an denen man sich stößt? (Nachgewiesen von Karl dem Großen bis auf die Neuzeit.)«

Zu denken, dass es so schöne Silberarbeiten gibt! So einfache, so edle Stücke! Und wem das zu teuer ist: was machen zum Beispiel die Schweden für schöne Zinnsachen! Wie sauber ist das gearbeitet, wie rein in der Form, wie glatt und karg, ihre ganze Schönheit steckt in den wohlausgewogenen Maßen – und sicherlich gibt es das auch in Deutschland!

Die Sportleute haben etwas Griechisches. Die Sportpreise aber stammen aus dem Barockoko.

Peter Panter
Vossische Zeitung, 18.01.1931, Nr. 30.