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Die Redensart

Als Friedrich, August von Sachsen,
noch saß auf seinem Thron,
da tät die Empörung wachsen –
horch, horch – die Revolution!
Im Schloß erschrak man nicht wenig,
der Kammerherr wurde ganz blaß.
Da sagte der gute Geenij:
»Ja, dürfen die denn das –?«

Der Satz hat sich eingefressen.
Ich sag ihn bei Tag und bei Nacht.
Ich sag ihn bei Jungdo-Adressen,
ich sag ihn, wenn Hitler was macht.
Ich sag ihn, wenn Mädchen sich lieben,
und wenn einer reizt mit dem As,
und wenn sie um Schleichern was schieben:
»Ja, dürfen die denn das –?«

Wie die Deutschen so tiefsinnig schürfen!
Jeder Mann ein Berufungsgericht.
Nur wer darf, der darf bei uns dürfen –
die andern dürfen nicht.
Und sitzt in der peinlichsten Lage
der Deutsche, geduckt und klein –:
dann stellt er die deutscheste
Frage und schläft beruhigt ein.

Theobald Tiger
Die Weltbühne, 07.10.1930, Nr. 41, S. 548.