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Präsentiert das … Gwä!

Die bisher unwiderlegten Feststellungen über das deutsche Offizierkorps, die ich in diesen Blättern zu wiederholten Malen getroffen habe, lassen die Freunde eines Systems nicht ruhen, das den deutschen kleinen Privatmann einmal herrlich über sich selbst hinaushob.

Da ist bei Scherl eine Flugschrift erschienen – »An alle Frontsoldaten« heißt sie –, in der bekomme ich es aber ordentlich. Ich bringe nun bei Polemiken niemals die erforderliche Rage auf, weil ich weiß, dass man stets aneinander vorbeispricht. Ich habe gesagt, dass deutsche Offiziere im Kriege dem Manne Essen gestohlen haben. Wer draußen war, wird das bestätigen. Soll ich mich deshalb öffentlich mit einem auseinandersetzen, der in etwas quietschigem Pathos aufschreibt: »Ignaz, bekenne dich als Juden oder Christen, als Katholiken oder Atheisten, egal, egal. Judas Ischarioth bleibt doch dein erster Ahn!«? »Egal, egal« ist ja nun ganz ulkig; aber ich bekenne mich nur als einen, der den Vorgesetzten in jedem Deutschen bis zur Siedehitze haßt. Was ist denn hier gesagt worden?

Es ist gesagt worden, dass deutsche Offiziere – und damit auch die von ihnen benötigten Militäranwärter und Unteroffiziere – allemal dann, wenns ihnen gut ging, den Versuchungen nicht widerstanden, die gehobene dienstliche Lage ihnen darbot. Ich habe niemals über die wenigen Fälle von Feigheit gesprochen, die überall vorkommen und vorkommen können – ja, ich habe sie ausdrücklich ausgenommen. Behauptet wurde: deutsche Offiziere haben ihre Pflicht als Vorgesetzte nicht getan. Und sie haben sie nicht getan, weil Welten sie von ihren Untergebenen trennten.

Die Unterscheidung: Etappe – Front ist falsch. Die Offiziere wurden alle nach einem Schema, in einem Korps, nach einem Plan ausgebildet – wo blieb die Erziehung? Da, in Warschau, in einem kleinen belgischen Dörfchen, da hätte sie sich zeigen können. Der Hauptmann, der im Graben mit seinen Leuten Feldküchenessen ißt, kann keinem imponieren – denn verhungern wollte er nicht, und andres war nicht da. Aber der Offizier, der auch dort, wo Weiber, Sekt, Kasino-Nächte und fette Diners winken, sich bescheidet, um den Leuten, die es nicht so haben können, mit gutem Beispiel voranzugehen – der wäre ein Kerl gewesen. Wo gab es ihn?

»Von den Offizieren der Etappe handle ich nicht«, sagt die Flugschrift. Aber ich. Denn was wir von dieser Führerschaft – auch im Frieden, besonders im Frieden – zu erwarten gehabt hätten, ist nicht auszudenken. Sie sahen im eignen Landsmann ein Instrument, »sie hetzten ihren Willen durch die Räume«, wie einmal so gut bei Latzko steht, sie betrachteten das Ganze lediglich vom egozentrischen Standpunkt aus und ließen sich das bißchen Dienst mit Geld, Ehren und sehr guten Lebensumständen in einer lächerlichen Weise überzahlen.

Schuld sind immer die andern. Fragt man einen Frontsoldaten, dann sagt er: Ja, die Etappe! Fragt man einen Stabsoffizier, so sagt er: Ja, die radikale Wühlarbeit! (Ich habe in dreieinhalb Jahren nichts von ihr zu sehen bekommen.) Fragt man die Heimat, so sagt die: Ja, das Heer –! Mich will es schier bedünken …

Es handelt sich nicht um das einzelne Stück einer Flugschriften-Reihe, in der die dümmsten und unverfrorensten Vertreter der alten Firma munter weiter schreiben: jener Oberst Bauer, Otto Ernst, der noch im August 1918 England für völlig niedergerungen erklärt hat (es wußte es nur noch nicht) – sie alle sind auf dem Plan, werden gehört und genießen Achtung. Es handelt sich nicht um das Heftchen. Das ruft in freundlicher Weise nach dem Staatsanwalt wider Wrobeln (als ob sich dergleichen in einer preußischen Gerichtsverhandlung abzuwickeln hätte), zitiert ein Kitschgedicht von Otto Anthes als Argument für den Leutnant und ist im ganzen bestrebt, Löcher in der Logik mit Bombast zu verdecken.

Dieses Blatt wendet sich an euch, die ihr unter ihnen gelitten habt. Es wird nichts weiter übrigbleiben, als sie nie wieder hochkommen zu lassen. Sie rühren sich. Habt acht! Und bleibt frei!

Logik? Sie wollen nicht. Ihr Resultat steht von vornherein fest: für den deutschen Ungeist zu zeugen, der dieses Land vernichtet hat.

Wir andern wollen weiter gegen ihn streiten.

Ignaz Wrobel
Die Weltbühne, 30.10.1919, Nr. 45, S. 551.