Zum Hauptinhalt springen

Auf dem Nachttisch


Louise Diel, »Ich werde Mutter«

Herr Pietsch, eines von Glaßbrenners himmlischen Geschöpfen, geht außerordentlich besoffen Unter den Linden spazieren. Und rasselt mit seinem Stock eine Ladenjalousie an. »Det kann ick«, sagt Pietsch. »Dafor bin ick Mutter.«

Louise Diel »Ich werde Mutter« (bei Carl Reißner in Dresden erschienen). Ja … Es hat also eine Frau die Gefühle ihrer Mutterschaft beschrieben. Vierhundert Seiten; es steht alles drin, was einer gebildeten Frau durch den Kopf geht, wenn das Kapitel »Schwangerschaft« angeschlagen wird. Ich habe mich bei der Lektüre immerzu geschämt. Kennen Sie das, wenn man sich schämt, weil einer auf dem Podium steckenbleibt? Frau Diel bleibt nicht stecken.

Das Buch ist in der Empfindung sauber, an keiner Stelle kokett. (Die Frau ist verheiratet. Wäre sie es nicht, nie hätte sie den Mut besessen, dieses Buch zu schreiben.) Die dargestellten Gefühle sind wahr, genauso hat die Frau sicherlich gefühlt. Das Buch ist durchaus anständig gemeint. Und es ist von einer so erschütternden Durchschnittlichkeit, dass das Wort Strindbergs als Motto davorstehn sollte: »Wahres Muttergefühl kann nur ein Mann empfinden.« Was wiederum Frau Diel nicht verstehen wird, denn sie liebt doch ihren kleinen Jungen.

Wir werden uns rasch klarmachen, welche Schicht hier spricht, wenn wir das Buch da betrachten, wo es lustig sein möchte. Es ist Geschmackssache: mir verursacht dieser neckische Familienhumor, der den Arzt durch vierhundert Seiten hindurch »Doktorchen« oder »Doktor« ohne Artikel nennt, etwa jene Gefühle, über die Schwangere mitunter klagen. Ich habe immerzu nachgedacht, warum es beim Zusammenklang meines Nachttisches und dieser Mama einen Mißklang gibt. Jetzt weiß ich es.

Muttergefühle mögen restlos gut sein. Die Beziehung der Geschlechter zueinander ist es mitnichten. Der Partner, sagt ein viel gelesener Kitschfranzose in einem Augenblick der Erleuchtung, der Partner in der Liebe ist immer auch der Feind. Nun waren zum Beispiel die Untertanen der deutschen Landesmutter aus dem Jahre 1910 gewiß keine restlose Freude – sie bekamen ihre Kinder durch Zustellung der Geburtsurkunde oder durch Blütenstaub, jedenfalls nicht auf natürlichem Wege, was man, wenn man sie sah, auch gut verstehn konnte. Doch Gott bewahre uns vor der neuen Ausgabe, für die das alles frei, natürlich, erlaubt, göttlich, menschlich und sonst noch allerhand ist! Das ist ganz furchtbar. Fühlen diese Frauen nicht, wie schamlos sie sind? Sie fühlen es nicht. Es stehen in diesem Buch Dinge, wie zum Beispiel die behaglich angeschnittene Frage, ob man auch während der Schwangerschaft Geschlechtsverkehr pflegen dürfe … was sagt eigentlich Herr Diel dazu? Findet er das schön, dass seine Frau dergleichen drucken läßt? Ich weiß schon: dem Reinen ist alles rein. Sicherlich. Und dem Flanellnen ist alles Flanell, was gewiß nicht auf die polizeilich gemeldete Frau Louise Diel bezogen werden soll. Eine, die nichts wäre als Hure, wenn die ein Kind bekäme, das ginge nicht gut. Eine, die nichts ist als Mutter, wenn die liebt … das geht auch nicht gut. Es ist, wie wenn jemand mit Dynamit »Backe, backe Kuchen« macht. Ein Amor, dem seine Mama einen Wickel um den Hals getan hat, damit er sich nicht erkältet.

Eines hat mir einen kleinen Schlag gegeben, das sind die Bildbeigaben des Buches. Sie stammen von Käthe Kollwitz. Ich kann gar nicht verstehn, dass sie da mitgetan hat. Immerhin: das Buch wird ein beliebtes Weihnachtsgeschenk gebildeter, aber schwangerer Mittelstandsfrauen abgeben.


Karl Scheffler, »Berlin, Wandlungen einer Stadt«

Über »Berlin, Wandlungen einer Stadt« von Karl Scheffler (erschienen bei Bruno Cassirer in Berlin) wollen wir rasch hinweggleiten. Sein wunderschönes »Berlin, ein Stadtschicksal«, das im Jahre 1910 erschienen ist, hat er neu bearbeitet, aber alles, was in dem alten Buch zu Ende formuliert und mit bester Eindringlichkeit gesagt wurde, ist nicht mehr da. Geblieben ist ein Buch über die Museen der Stadt, über ihre Architektur … nirgendwo aber wirken diese Dinge so aufgeklebt wie in Berlin. Ich habe nie verstanden, dass es von Wichtigkeit sein kann, zu untersuchen, wieviel Cézannes dieses Museum hat und wie wenig Liebermänner jenes – das Schefflersche Buch wirkt unendlich vorgestrig, was der Autor keineswegs ist. Es geht allem, was den Berliner von heute brennend interessiert, sorgfältig aus dem Wege und wandelt auf Boskettwegen, die mir auf dem Mond zu liegen scheinen. Mit Berlin hat das Buch nicht viel zu tun.


General Crozier, »Im Sturm ums Niemandsland«

Drei Kriegsbücher, ein ganzes und zwei halbe.

Das ganze heißt »Im Sturm ums Niemandsland« von dem irischen General Crozier (erschienen bei Paul Zsolnay in Wien). Bereute Roheit, oder: Nächstes Mal machen wir es grade so.

Der Herr General macht sich und uns wenigstens nichts vor. »Auf dem Grunde liegen die zwei toten Deutschen im Stahlhelm, noch immer unbegraben, während zehn Yard entfernt in einem saubern Grab mit grobem Kreuz und frischer Inschrift die menschlichen Überreste des letzten britischen Soldaten der 119. Infanteriebrigade ruhen, der ›im Kriege gefallen ist, den Krieg zu enden‹. Wir lesen die Inschrift: Er starb für sein Vaterland. ›Was soll mit den zwei Kerlen in dem Loch da geschehn?‹ fragt Andrews leichthin, ›ich nehme an, sie starben auch für ihr Vaterland.‹ – ›Das schon‹, antworte ich, ›aber unglücklicherweise auf der falschen Seite.‹« Das ist Europa, und wir haben dem nichts hinzuzufügen.

Höchstens, dass die britische Nation ihren frühem Welterfolg einem schrankenlosen Nationalismus verdankt, der besonders peinlich schmeckt.

Das Buch hat alle kriegerischen Eigenschaften: es ist stellenweise hochmütig, ungebildet und im Grunde ein bißchen dumm. Wo der Verfasser Ironie gibt, fühlt er das nicht einmal. Wenn er Douglas Haig beschreibt, wie er vorbeireitet, »aufrecht auf seinem Offizierspferd, einen Stahlhelm und eine Gasmaske zur Vorsicht mit sich führend«, weil man ja nie wissen kann … so ahnt er nicht, dass er hier die Karikatur dieser sogenannten Generale aufgemalt hat. Übrigens ist das Buch schlecht übersetzt.


Max Oederlin, »Marsch im Jura 1916/17«

Zwei halbe Kriegsbücher: eines von einem schweizerischen Soldaten, zu lesen braucht man es nicht, aber anblättern und lachen kann man schon. »Marsch im Jura 1916/17« von Max Oederlin (erschienen bei Grethlein & Co. in Zürich). Das Buch ist deshalb so unwiderstehlich komisch, weil dieser Herr Soldat gar nicht gefühlt hat, wie nichtig seine Manöver und Biwakabenteuer neben dem Krieg gewesen sind. Wenn er noch gute Grenzschilderungen gegeben hätte! Nichts davon. Die harten Krieger, die natürlich im Ernstfall genauso gute Soldaten wie die Deutschen gewesen wären, spielen hier schweißgebadet Billard und trinken manches Glas Bier.

Wenn schon von der Schweiz im Kriege die Rede ist, dann halte man sich an andre Zeitdokumente.

»Grenzwachkompagnie 58/III. Lieber Freund! Vier Wochen lang lag ich bei der Ruine Landskron. Es ist in der Nähe von Basel. Von dort aus kam ich ins erste Treffen, weil Franzosen durch das Leimental nach Basel und weiter durch die Schweiz marschieren wollten. Es kam ihnen böse zu stehn. Du kennst meine Ansicht wie ich die Deine. Leider war ich grade auf Patrouille und war der erste, der die roten Hosen bemerkte. Ich hatte nur vier Mann bei mir, was tun? Ich sträubte mich zu schießen, so rief ich die Kerle an, zurückzugehen. Erst verstand die Bande nicht Deutsch, dann kamen sie näher, und plötzlich stoßen sie auf uns. Zwei Kameraden fielen, mich selbst wollte die Gesellschaft lebendig haben. Ich hatte aber keine Lust zum Mitgehen, und Du weißt, ich habe manche Auszeichnung im Schießen geholt. Es ist allerdings ein bitteres Gefühl, schießen zu müssen. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, dass die ersten Schüsse treffen können, so besudelt ist man. Zudem kommt man in kalten Schweiß, und erst nach und nach überlegt man genau.«

Das ist zitiert nach den »Kriegsdokumenten«, die Eberhard Buchner gesammelt hat (erschienen bei Albert Langen in München, zu einer Zeit, als der Verlag noch nicht nationalistisch war). Diese Bände zu durchblättern, das ist eine sehr nachdenkliche Lektüre. Es wäre möglich, beinah neben jede Meldung die Wahrheit zu setzen; das Ganze wirkt wie das mißtönende Geschrei aus einem Irrenhaus. Eine Fundgrube für Zeitungsleute, die ihre Sache ernst nehmen.


Sergeant Höflich, »Affaire Zabern«

Das zweite halbe Kriegsbuch spielt im sogenannten Frieden und behandelt die »Affaire Zabern«. Verfasser ist einer der Beteiligten: der Sergeant Höflich (erschienen im Verlag für Kulturpolitik in Berlin).

Zabern – das ist lange her! Im Jahre 1913 erlaubten sich einige Offiziere Übergriffe gegen die elsässische Bevölkerung, und es ging hoch her: die Presse schäumte, der Reichstag dröhnte, und die Offiziere machten Karriere. Dann zogen alle in den Krieg und hatten Zabern vergessen. Nicht so die Elsässer.

Was der Sergeant in durchaus gemäßigtem Tonfall berichtet, wohlgeschult an kaiserlichen und republikanischen oder sagen wir besser nachkaiserlichen Zeitungen, das zeigt, wie der Apparat immer stärker ist als alle Vernunft. Hier war nun nicht viel Vernunft: so, wenn der Oberst von Reuter, sicherlich nicht einer der schlimmsten, einen Verhafteten anbrüllt: »Wollen Sie gefälligst die Mütze abnehmen vor einem preußischen Oberst!« – wie der Leutnant von Forstner in der Instruktionsstunde sagt … aber das war schon schwachsinnig, denn grade ein patriotischer Offizier dürfte so etwas nicht sagen: Der Leutnant hatte gelegentlich einer Instruktion über Deserteure geäußert, dass solchen Leuten nichts weiter übrigbleibe, als in der Fremdenlegion Unterschlupf zu suchen. Sie haben dann keine andre Ehre mehr, als unter der französischen Fahne zu dienen. Dann: »Auf diese Fahne könnt ihr scheißen.« Man sollte das auf Fahnen nicht tun.

Der Verfasser, Sergeant Höflich, hatte die Soldaten aufgehetzt, »im Falle der Notwehr« sofort von der Waffe Gebrauch zu machen, als sei geschlagen zu werden für einen Soldaten schimpflicher als für einen andern Menschen – und Forstner hatte hinzugesetzt: »Wenn ihr dabei einen solchen Wackes über den Haufen stecht, schadet das auch nichts, ich gebe euch dann noch zehn Mark Belohnung!« Und Schersant Höflich hinterher: »Und von mir noch drei Mark dazu!« Soweit die kaiserliche Instruktion.

Man kann sich denken, was das im Elsaß, wo die moralischen Eroberungen der Preußen sowieso etwas dünn aussahen, für einen Eindruck machte. »Boche« hörten sie dann nicht gern, aber einen Elsässer »Wackes« nennen – das ist ganz etwas andres. Dann gab es den üblichen großen politischen Klamauk, aber es war ein deutscher Klamauk, und so hatte er keine Folgen. Schant Höflich drückt das in unnachahmlicher Selbstverspottung, deren er sich bestimmt nicht bewußt ist, so aus: »Daß Reichskanzler und Kriegsminister – trotz des mit überwältigender Mehrheit ausgesprochenen Mißtrauensvotums – auf ihrem Posten bleiben durften, ging uns nichts an und war Sache des deutschen Volkes und des Reichstages.« Und so war es denn auch.

Was ist uns das heute noch? Der ahnungsvolle Verleger merkte an, es seien alle Rechte vorbehalten, »auch die der Übersetzung, der Verfilmung und Verwendung für den Tonfilm … « Das ist es uns heute.


Ludwig Bauer, »Morgen wieder Krieg«

Ludwig Bauer »Morgen wieder Krieg« (erschienen bei Ernst Rowohlt in Berlin).

Das Buch hat ein merkwürdiges Schicksal: soweit ich das übersehen kann, ist es fast ganz totgeschwiegen worden. Warum wohl –? »Emil«, sagt ein altes berliner Lied, »Emil mit dem Doppelkinn, du paßt in keene Wieje nich mehr rin!« Dieses außerordentlich gescheite Buch paßt in keine der heute geltenden Kategorien, es ist nämlich mit dem gesunden Menschenverstand geschrieben worden.

Der kommt nicht nur in Sachen Deutschland zu Folgerungen, die nur in Deutschland als fürchterliche Ketzerein gelten. Ich wünschte, eine Hitlerregierung erfüllte wenigstens eine ihrer dreitausend Versprechungen, wenigstens diese eine. Sie rolle die Kriegsschuldfrage noch einmal auf. Was wird sie ernten? Empörung? Grimmigen Widerstand? Innere Einkehr der Feinde, wie diese Nazis glauben, die von Europa nichts kennen? Sie werden auf völlige Verständnislosigkeit stoßen – es wird niemals zu ernsten Verhandlungen kommen, weil es diese Frage nicht mehr gibt. Bauer sagt: »Nehmen wir an, es geschähe ein Wunder, es würden heute zwei Briefe vom Zaren und Poincaré aufgefunden, Anfang Juli 1914 geschrieben, darin stände schwarz auf weiß: wir fallen jetzt über Deutschland her, wir sind glücklich, dass endlich diese Gelegenheit gekommen ist, wir schieben Deutschland die Verantwortlichkeit zu und werden so erreichen, dass alle Welt unser Bundesgenosse wird – nun wohl, was würde dann geschehen? Nichts. Es gäbe eine Sensation, unendlichen Lärm, aber die Mächte würden nicht wieder in Paris zusammenkommen, die alten Grenzen neuerdings herstellen, die Wiedergutmachungen zurückerstatten, die Verträge zerreißen … Denn die Staaten sind nun so, wie sie geschaffen wurden, sie tragen in sich das Recht des Bestehenden. Der deutsche Unschuldsbeweis ist undenkbar, weil es eben keine deutsche Unschuld 1914 gibt; aber sogar wenn er unwiderleglich erbracht werden könnte, würde er nicht mehr bewirken als ein Achselzucken.«

Die Vorschläge, die das Buch macht, um diesen wahnwitzig gewordenen Kontinent zu retten, diese Vorschläge erscheinen mir unzureichend. Eine Propagandastelle etwa gegen die nationale Lüge … das halte ich nicht für durchführbar. Es ist alles viel zu spät, und man wird das auch niemals tun. Aber die Schilderung des Bestehenden, die Schilderung Europas, so, wie es nun einmal ist, die ist gut gelungen. Es gibt einige deutsche Diplomaten, die wissen Bescheid – sehr intelligent ist der adlige Durchschnitt nicht, aber so dumm ist er wieder nicht, um nicht einigermaßen die deutschen Chancen zu sehn. Sie wissen es. Es gibt Referenten im Auswärtigen Amt, die kennen ihre Verhandlungspartner. Aber gestoßen, geknufft und umbrüllt von den tobenden Stammtischen in Prenzlau und Sangerhausen, in Greiz, Gera und Weimar stehn die Vertreter des Deutschen Reiches im Ausland da wie die Hanswurste: sie sollen etwas erreichen, was niemand erreichen kann. Ludwig Bauer sieht, was kommen wird, erbarmungslos klar – für wen hat er das geschrieben?

Für die Majorität der Deutschen einmal sicherlich nicht.

Für die haben die stärkern Bataillone recht, so sehen sie auch den chinesisch-japanischen Konflikt an – immer feste druff! Doch gilt die Theorie von den starken Bataillonen dann nicht, wenn Deutschland besiegt wird – dann ist Krieg bitterstes Unrecht. Krieg muß sein, aber nur, wenn Deutschland siegt. Wie die dummen Jungen. Und sie freuen sich so, wenn dieser Völkerbund versagt!

Er muß versagen, denn es gibt ihn gar nicht. Bauer setzt auseinander, wie gefährlich die genfer Komödie ist: sie kompromittiert eine gute Idee. Gibt es einen Völkerbund? Es gibt keinen. Das glauben nur noch so brave Pazifisten wie Hans Wehberg – aber die gibt es auch nicht, und so gleicht sich alles im Leben aus. Wir werden uns im nächsten Krieg wiedersprechen.

Der Völkerbund existiert nicht, weil kein Staat auch nur auf ein Partikelchen seiner absoluten Souveränität verzichtet hat – und nur so könnte er entstehen und bestehn. Deutschland hat am allerwenigsten das Recht, ihn zu kritisieren. Wer einen so barbarischen Nationalismus will und bejaht, der mache seinen Krieg und schweige, wenn von Pazifismus die Rede ist.

Ludwig Bauer aber sei allen empfohlen, die sich noch ein Restchen jenes Menschenverstandes bewahrt haben, der heute als Rationalismus und Liberalismus von wild gewordenen Analphabeten angeprangert wird.


Egon Erwin Kisch, »Prager Pitaval«

Wenden wir uns zum Schluß freundlicheren Dingen zu.

Wenn einer den Schnupfen hat und nicht ausgehn kann oder die Grippe und nicht ausgehn will oder er ist Mutter und kann nicht ausgehn, dann lese er den »Prager Pitaval« von Egon Erwin Kisch (erschienen im Verlag Erich Reiß in Berlin). Das ist ein herrlicher Schmöker! Aus alten Scharteken, aus dem »Pitaval«, aus eignen Erlebnissen tut Kisch hier das, was er am besten kann: er erzählt. »Verzähl uns was!« sagen die Kinder, wenn sie sich langweilen. Es ist zu schön. Pracht- und Mittelstück die klassische Darstellung des Falles Redl. Sehr gut, dass er das aufgenommen hat – der Band ist einst bei der seligen »Schmiede« erschienen, deren Inhaber übrigens Schule machen, denn es gibt allerhand Verleger, deren Abrechnungen zu wünschen übriglassen. Was tut der Schutzverband? Er ist uneins miteinander, und so vergeht allen Beteiligten auf das schönste die Zeit. Nein, wir sind keine gefährlichen Arbeitnehmer.

Auf dem Nachttisch liegt noch vielerlei. Aber der Inhaber hat sich in die Kissen zurückgezogen und tut was –? Er schmökert. Er liest E. E. Kisch.

Peter Panter
Die Weltbühne, 08.12.1931, Nr. 49, S. 857.