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Hering ist gut – Schlagsahne ist gut – wie gut …

Der Verlag Goldmann in Leipzig hat dem bekannten Anhänger der Prügelstrafe, Edgar Wallace, etwa zweihundertundachtzehn Sommeranzüge verdient, eine neue Zentralheizung, fünf Winterreisen, acht Türkisringe, zwei Zigarettenspitzen und etwa dreihunderttausend Mark. Daneben gibt der Verlag Goldmann auch noch einen Wust von Kriminalromanen heraus, die meist schlecht sind, sie haben aber alle schöne, bunte Umschläge, und wer gezwungen ist, einmal über Bebra zu fahren, der kauft sich dergleichen gern. Ferne sei es von mir, dieses Geschäft zu stören. Doch – ein bißchen möchte ich es stören.

Herr Goldmann beehrt sich, den Kriminalroman eines gewissen Hodum-Koenigsfeld vorzuführen. Woran es liegt, mögen spätere Doktorarbeiten ergründen: die deutschen Kriminalromane sind fast nie so gut wie die englischen und die amerikanischen. Der deutsche Autor schielt gern, wenn er so etwas macht, nach der feinem Literatur und wird dadurch vollends unausstehlich; der Angelsachse weiß genau, was von ihm verlangt wird, und liefert oft eine tadellose Ware.

Dieser Roman hier ist dumm und provinziell. Er ist aber noch etwas andres. Die kümmerliche Handlung spielt in Wien. Da ist ein Haus mit einem teuflischen Chinesen, der die Mädchen betäubt und … also was man so für drei Mark fünfundsiebzig macht. Dieser Chinese hat einen Helfershelfer, der – ha, elender Schurke! – die ziemlich keusche Heldin raubt. Der Chinese hinter ihr her. Der Kriminaler hinter dem Chinesen her. Und hier begibt sich etwas Seltsames: nämlich ein Volksaufstand, der die Handlung recht kompliziert. Der ›Pöbel‹ stürmt die Polizeiwache, befreit den schurkischen Helfershelfer … In Wien? In Wien ein Volksaufstand?

Gemeint ist der 15. Juli 1927, der Tag, an dem sich die Polizei des Herrn Schober so benommen hat, als ob ihr Chef Zörgiebel hieße. Was damals geschehen ist, war einer der seltenen Fälle, wo sogar dem sanften Wiener der Geduldsfaden riß und er eine unvollkommene Rache am Justizpalast nahm. Provoziert, bedrängt, herausgefordert, brach es los. Was hat das mit einem schlechten Kriminalroman zu tun?

»Ja, das sind so chinesische Machthaber … Mit einigen Chinesen, die gegen ihn wie Kulis aussahen, stellte sich Talo an die Spitze der Demonstranten. Der Mob (Anmerkung Peter Panters: damit sind die wiener Arbeiter gemeint) der Mob glaubte natürlich, da vielleicht einen Abgesandten von … hm … von irgendwoher zu sehen, und folgte blind allen Befehlen.«

Goldmann sollte sich das patentieren lassen. Spannung wollen die Leute; Sowjet-Hetze wollen die Leute, und wenn dieser Autor noch so feige ist, das Wort Moskau neckisch zu umschreiben, so wird der nächste ja wohl Stalin und Sinowjew und Rykow in den Teppich seiner Handlung hineinweben. Das zieht immer. Etwa so:

»Kommissar Henderson sah erschüttert auf die junge Gestalt, die da mit Violinsaiten gefesselt vor ihm lag. Er drehte die halb Ohnmächtige vorsichtig um – auf ihrem zarten Rücken leuchtete, von den Schurken mit blauer Farbe eingeätzt, der Satz: ›Hoch die Internationale!‹ Am Boden lag ein seidenes Taschentuch. Der Kommissar pfiff leise durch die Zähne. ›K. R.‹ war das Tuch gezeichnet, und darunter das bekannte Wappen des russischen Kommissars zur Sozialisierung der Frauen und zur Röstung aller Geistlichen. Das Tachentuch gehörte Radek. Langsam löste der Kommissar die Bande – –«

Sie haben alle nur einen Feind: Rußland.

Peter Panter
Die Weltbühne, 09.09.1930, Nr. 37, S. 422.