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Das Couplet

Ein Couplet zu schreiben: das ist eine mühselige und eine ernste Sache. Es ist vielleicht schrullig, über eine so lustige Sache, wie es doch das Couplet (für den Zuhörer) ist – mit gefurchter Stirne zu reden und gar zu sagen, dass auch diese kleine Kunstgattung ihre ganz besondern Gesetze hat, die man mühsam erhorchen und noch mühsamer erlernen muß.

Im Couplet muß die Sprache selbst dichten. Das ist ein so dünner Bretterboden, das Lied, das sie da oben singen – und es verträgt nicht viel. Leicht und ungezwungen müssen die Worte einander folgen, leicht und klar die Gedanken – und verwickelte und zusammengekoppelte Gedanken verträgt das Couplet überhaupt nicht. Es reicht grade nur für die einfachsten Dinge, wenns im Fluge verstanden werden soll – man kann allerlei sagen in einem Couplet, aber man muß es sehr einfach sagen. Und ehe man Rhythmus und Reim und Gedankengang glücklich vereinigt hat, vergeht manchmal eine ganze Nacht.

Was man aber nicht merken darf. Erst wenn die Leute sagen: »Das haben Sie gewiß aus dem Ärmel geschüttelt!« – erst dann ist das Couplet gelungen. (Und wenn die Leute erst wüßten, wie holperig und langweilig das aussieht, was man so aus dem Ärmel schüttelt … !)

Viele fragen, was zuerst da sei: der Text oder die Musik. Das ist ganz verschieden. Es gibt Melodien, die sagen etwas, wenn du sie oft hörst- und wenn du hören kannst, dann fangen sie auf einmal zu sprechen an und sagen dir den Text, den einzig möglichen Text. Manchmal aber ist es förderlich, die Worte aufzuschreiben und sie von dem Herrn Komponisten unter Musik setzen zu lassen.

Ist dies eine Enzyklopädie? Dies ist ein kleines Programmheftchen, und »Die Geschichte des deutschen Couplets (mit Sachregister)« ist noch nicht geschrieben worden. Wenn wir vom alten Kalisch absehen: die besten Couplets der letzten Jahre hat Rudolf Bernauer geschrieben – »Und Meier sieht mich freundlich an« ist ein klassisches Fundament, derglei-chen wir nicht viele haben, ein Lied, an dem sich schon Generationen gesund gelacht haben. Das kennen Sie nicht? Schade – es ist wirklich sehr lustig.

Das politische Couplet gedeiht nicht recht bei uns – die Deutschen mögen das nicht – und wenn der charmante Otto Reutter nicht seinen politischen Versen irgendeinen Refrain anhängte, der ebensogut auch auf andere Dinge paßt, so hätte er wohl nicht viel Glück mit seiner Coupletpolitik.

Der Refrain … ! Das Schmerzenskind aller Coupletgoethes –! Da ist jedes Wort von Bedeutung, eins zuviel, und die Wirkung ist dahin.

Und dann: richten Sie sich nie nach der Wirkung des gedruckten Couplets. Was ein richtiges Couplet ist, das sieht gedruckt so blöd aus, dass jeder vernünftige Mensch sagt: »Das ist wohl hervorragend dummes Zeug!« Und umgekehrt: Verse, die sich auf dem Papier gut ausnehmen, fallen auf dem Podium so herunter, dass es eine Freude für den Konkurrenten ist.

Aber nun haben Sie genug von der blassen Theorie gehört – jetzt wollen Sie lebendige, bunte Couplets.

Bitte. Da oben.

Peter Panter
Schall und Rauch, April 1920, Nr. 5, S. 1-2.