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Altes Volkslied

Wem habe ich zu danken
– sag an, mein Herz, sag an –:
Wer knebelt die Gedanken?
wer setzt der Freiheit Schranken?
wer ist der brave Mann?

Der Leutnant, schlank gewachsen –
sag an, mein Herz, sag an –
der Reichswehr? die in Sachsen
und Thüringen blutige Faxen
unmöglich getan haben kann?

Ist es der Hauptschriftleiter
– sag an, mein Herz, sag an –,
der dem schwarz-rot-goldenen Streiter
ein gebildeter, steter Begleiter
und noch nie einen Kampf gewann?

Es ist der deutsche Richter
– sag an, mein Herz, sag an –,
der sperrt das rote Gelichter
in die Zellen – und hinterher spricht er:
»Es gibt keine Klassenjustiz.«
Man siehts, mein Herz, man siehts.

Denn die es besser wissen,
die schlafen auf strohenen Kissen;
und die nach dem Lichte streben,
die stehn hinter gitternen Stäben;
und die die Freiheit begehren,
die können sich nicht mehr wehren.

Was verdienen unsre Richter?
Sag an, mein Herz, sag an!
Paragraph juhu!
Paragraph juchei!
Wir wissen es ja schon:
    Viel hundert Taler im Jahr, mein Herz –
     Unsere Liebe.
Vertraun.
     Und Pension.

Theobald Tiger
Die Weltbühne, 23.11.1926, Nr. 47, S. 819.