Zum Hauptinhalt springen

1) Wutgift

1) Das Wutgift. Es teilt sich durch den Speichel wütender Tiere: toller Hunde, Wölfe, Füchse, Katzen u. s. w. mit, wenn derselbe in eine Wunde oder auf Teile mit zarter Oberhaut gebracht wird. Durch die Luft oder durch bloße Berührung pflanzt es sich nicht fort. Bei empfänglichem Körper erregt es die fürchterliche Hundswut oder Wasserscheu (Hydrophobia), richtiger Flüssigkeitsscheu (Hygrophobia) — weil der Kranke jede Flüssigkeit scheut, — wo periodisch einzelne Wutanfälle sich einstellen, die sich wiederholen, unter großer Angst, Qual und Krämpfen zunehmen und in der Mehrzahl der Fälle den Menschen in kurzer Zeit töten. Ein Glück ist es, dass nach genauen Beobachtungen viele Menschen nur geringe Empfänglichkeit für das Wutgift haben, so dass man annehmen kann, dass von zwölf Personen, die von einem wahrhaft tollen Hunde oder Fuchs (beide werden am häufigsten spontan toll) gebissen werden, wenigstens die Hälfte frei von der Hundswut bleibt, wenn selbst jede Hilfe, jedes prophylaktische Verfahren bei allen zwölf Individuen versäumt wurde. So erklärt sich es auch, wie so manches unbedeutende, indifferente Mittel gegen den Tollenhundsbiss in unverdienten Ruf kommen konnte.

Wichtig ist es, dass Jedermann genau wisse und dass das Kind schon in der Schule belehrt werde, wie und auf welche Weise ein wütender Hund sich zu erkennen gibt. Ein toller Hund hat folgende Kennzeichen: Er hat triefende Augen, herabhängenden Schwanz und Ohren; er läuft mit hängendem Kopf, säuft nicht, flieht das Wasser, bellt nicht und achtet nicht auf seinen Herrn; er bekommt periodische Anfälle von Wut, beißt alsdann andere Hund oder in jeden Gegenstand, der vor ihm liegt; er läuft nicht gerade aus, sondern strauchelt von einer Seite zur anderen. — Bemerkenswert ist, dass alle diese Zeichen nicht anhaltend sind, dass sie oft stundenlang nachlassen, wo der Hund wieder säuft, frisst, seinen Herrn kennt und sich ordentlich benimmt, bis ein neuer Wutanfall sie wieder hervorruft. Daher hüte man jeden verdächtigen Hund längere Zeit, und beobachte ihn täglich mehrere Mal. Oft ist der tolle Hund sehr behende, mit Blitzesschnelle fährt er zu und beißt, im ersten Zeitraum schüchtern, und daher nur kneifend, im spätem aber so furchtbar, dass man ihn zuweilen losbrechen muss. Die neueste und beste, hierher gehörige Schrift ist: J. M. Kreutzer, Anleitung zur Kenntnis der Wutkrankheit der Hunde u. s. w. 1842. Ganz richtig bemerkt Haxthausen (Med. Vereinszeitung. Berlin 1837. Nr. 28), dass die Wasserscheu durch Polizeimaßregeln positiv verhütet werden könne. „Die gesamte Hundewelt“ — so sagt er mit Recht — „wiegt nimmer ein Menschenleben auf; daher ist es keine törichte Erwartung, dass künftig eine strengere Despotie über diese Kreaturen gehandhabt werden wird. Man würde ungleich weniger von der Wasserscheu hören, wenn

a) allgemein die schärfste Hundekontrole stattfände, mit spezieller Beziehung auf die Besteuerung derselben von Müßiggängern, Hagestolzen, Tagelöhnern und überhaupt von solchen Leuten, die nicht durchaus notwendig haben, wegen eines Grundbesitzes oder Gewerbes, Hunde zu halten;

b) wenn mit Ausnahme der zum Gewerbe dienenden Hunde keiner frei umherlaufen dürfte. Sie müssten bei Tage ohne Schonung angefesselt bleiben, und nur bei Nacht, wie dies zu ihrer Natur gehört, dürften sie der freien Bewegung gemessen;

c) wenn ein jeder Hund ohne Verzug getötet werden müsste, sobald er irgend zu kranken beginnt, gleichviel, welche Krankheit es sei;

d) wenn alle Unberufenen, welche sich mit der prophylaktischen Kur eines Hundebisses befassen, ohne Unterschied mit exemplarischen Strafen belegt würden, ohne dass es der üblichen Beweise bedarf, dass sie die Pfuscherei als Gewerbe treiben.“

Behandlung. Die erste Hilfe eines vom tollen Hunde Gebissenen besteht darin, dass man die Wunde gleich nach dem Bisse mit Urin oder scharfem Salzwasser auswäscht, sie dann mit einem trocknen Schröpfkopfe schröpfen oder so viel Blut ausziehen lässt, dass nur noch eine wässerige Feuchtigkeit den Schröpfkopf füllt; alsdann streue man Schiesspulver in die Wunde, brenne es ab, oder brenne sie mit einem glühenden Eisen aus, beize sie auch die ersten acht Tage, täglich dreimal mit Spießglanzbutter, verbinde sie mit Digestivsalbe, auf Charpie gestrichen, und lasse sie acht bis zehn Wochen eitern. Innerlich lasse man den Kranken vorläufig Wasser und Essig trinken, desgleichen warmen Kamillen- und Fliedertee zum Schwitzen, weshalb sich der Patient auch ins Bett verfügen muss. Dabei ruhiges Verhalten, Vermeidung jeder Gemütsbewegung, jeder Erkältung oder Erhitzung, keine Spirituosa, keine Arzneien von Quacksalbern, kein stark geheiztes Zimmer. Nach Sauter (Behandlung d. Hundswut. 1838) soll man die Bisswunde 48 Stunden lang alle fünf bis sechs Minuten mit einer Auflösung von trocknem Ätzkali eine halbe Drachme, und Wasser vier Lot, auswaschen, und in der Zwischenzeit Kompressen von vier- bis sechsfach gelegter feiner Leinwand damit anfeuchten und auflegen. Das Weitere muss der Arzt besorgen.