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Fleischbrühen

Fleischbrühen, Bouillons, Fleischsuppen. Dass die tierischen Nahrungsmittel, gleichviel ob gekocht, gebraten, oder auf andere Weise zubereitet und schmackhaft gemacht, unter gleichen Umständen mehr und kräftiger nähren, als Vegetabilien, — dies ist eine Allen bekannte Sache, die nicht im geringsten bestritten werden kann. Doch ist’s auch wiederum wahr, dass der Mensch weder allein auf tierische Kost, noch allein auf Pflanzenkost von der Natur angewiesen ist, wie dieses schon der Bau seiner Kauwerkzeuge und seiner Verdauungsorgane andeutet. Der Mensch ist zum Genuss jeder Speise ohne Unterschied fähig, und schon die erste Nahrung des Kindes: die Milch ist ein aus Pflanzen- und Tierstoff zusammengesetzter Stoff, der zwischen beiderlei Nahrung das Mittel hält.

Die Fleischspeisen sind nicht allein stärker nährend, als Pflanzenspeisen, sie sind auch leichter zu verdauen und ersetzen den Verlust der Kräfte am geschwindesten. Aber ihr täglicher Genuss erregt leicht Vollblütigkeit und Neigung zum Fettwerden, besonders im Mannesalter. Der übermäßige Fleischgenuss macht auch träge und, zumal in heißen Klima und im Sommer, zur Fäulnis geneigt. Die Kamtschadalen geben ihren Hunden, damit sie nicht träge werden, kein Fleisch zu fressen. Auch schreibt man die vielen Selbstmorde der Engländer und Dänen nicht ganz mit Unrecht dem übermäßigen Fleischgenuss zu, wodurch Reizbarkeit, Zorn, Rachsucht, Missvergnügen, Leidenschaftlichkeit und Wildheit angeregt werden, wovon auch manche unserer Metzger, die täglich und viel Fleisch essen, Beispiele geben. Für schwächliche Personen ist die Fleischdiät wohl nährend, ist aber die Schwäche mit großer Reizbarkeit verbunden, so wird die Lebenskraft dadurch zu stark gereizt, und es entstehen Wallungen des Bluts und Beängstigung.

In allen entzündlichen Krankheiten mit Fieber, Brustkrankheiten, mit Unreinigkeiten des Magens und der Gedärme, im Gallen- und Faulfieber sind Fleischspeisen durchaus schädlich; daher fehlt hier auch gewöhnlich der Appetit dazu. Dagegen passen für solche Fieberkranke nur magere, wässerige Suppen von Semmeln, Obst, Hafer- und Gerstengrütze, Graupen, mit Zusatz von Zucker, Zitronensaft etc. (s. Diät und Anhang III.) — Nach genauen Untersuchungen sind die gewöhnlichen Bestandteile der Pflanzenspeisen, woraus schon ihre Zweckmäßigkeit für Fieberkranke hervorgeht: Pflanzenschleim, Stärkemehl, Kleber, Zucker, fettes und flüchtiges Öl, Wachs, Harz, Gummi, Gerbe-, Extraktiv- und Bitterstoff, Kali, Essigsäure, einige ähnliche Säuren und Wasser. Je mehr die Pflanzen Kleber, Pflanzenschleim, Stärkemehl, fettes Öl und Wasser enthalten, desto nahrhafter sind sie, weshalb die letztern zu Anfange hitziger Krankheiten weniger, als am Ende derselben, passen.

Die gewöhnlichen Bestandteile der tierischen Substanzen sind hingegen: tierischer Leim, Faserstoff, Eiweißstoff, tierisches Fett, Kalk, Natron, Ammonium, Phosphorsäure, einige andere Säuren, und Wasser. Je mehr diese tierischen Leim, Faserstoff, Eiweiß, Fett und Wasser enthalten, desto mehr Nahrung geben sie.

Von allen tierischen Substanzen sind für schwache Personen, für Wiedergenesene, zarte Kinder und Frauenzimmer, so wie für Kranke, deren Zustand animalische Kost erlaubt (d. h. wo weder hitziges, noch galliges oder fauliges Fieber, weder Ekel, Appetitmangel, noch belegte Zunge zugegen), Bouillons von Kalbfleisch, von allem jungen Geflügel, zumal jungen Tauben, so wie von jungem Lammfleisch, wegen ihrer Leichtverdaulichkeit allen anderen Arten von Fleischbrühen vorzuziehen. — Außerdem kann man solche Suppen mit Eigelb abrühren, und zur Abwechselung leicht verdauliche feste Nahrung, z. B. gebratene junge Tauben, frisch gelegte und weichgesottene Eier, unter den Fischen gesottene Barsche dem Kranken, sobald Appetit dazu vorhanden, gewähren. (S. das Krankenspeisenkochbuch, Anhang III.)

Wir betrachten hier die Fleischbrühen daher nicht aus dem diätetischen, sondern aus dem hausarzneilichen Gesichtspunkt, worüber Folgendes zu bemerken. 1) Eine schwache Kalbfleischbrühe, mit etwas Muskatnuss, Zimt etc. gewürzt, war zur Zeit der hier in Rostock herrschenden orientalischen Cholera (1832) bei allen Kranken, welche an den niedern Graden des Übels mit Erbrechen und Diarrhöe, großem Mattigkeitsgefühl etc. litten, ein höchst angenehmes, belebendes, die Durchfälle und das Erbrechen mäßigendes Getränk. Ich lernte dieses schöne Mittel aus Sydenham’s Schriften, wo es auch schon gegen Cholera empfohlen wird, kennen. Männer, welche an Wein gewöhnt waren, vermischten die Bouillon, welche ohne alle Kräuter blieb, noch mit etwas Dryniadeira. 2) Eine schwache Hühner- oder Kalbfleischbrühe, recht warm getrunken, ist bei den Franzosen mit Recht ein geschätztes Mittel gegen Magenkrampf (s. Eau de poulet). So wie alle jene, meist auch schwerverdauliche tierische Kost, welche man in früheren Zeiten süchtige Speisen nannte (wohin Schweinefleisch, alles Pökel- und Rauchfleisch, Enten- und Gänsefleisch, Hasen, mehrere Arten Fische, besonders Heringe, Aale, Zander, trockene Erbsen, Bohnen, Zwiebeln, Knoblauch etc. gehören) langwierige Hautausschläge; Flechten, Kopfgrind, Blutschwäre etc. verschlimmert; eben so heilt eine gute, leichte, die Säfte verdünnende und verbessernde, einfache, dem Blut die Schärfe benehmende Diät jene Hautübel. Sie besteht darin, dass man sechs bis zehn Wochen lang zum Getränk einzig und allein Wasser, als Nahrung nichts weiter als eine sehr schwache Kalbfleischbrühe, mit frischem Körbel- und Petersilienkraut bereitet und Weißbrot hineingeschnitten, genießt. 4) Gegen das Sodbrennen und saure Aufstoßen, dem viele Schwangere in den ersten Monaten unterworfen sind, leistet eine Tasse starke Fleischbouillon mit ein bis zwei Teelöffel voll kohlensaurer Magnesia, nach Osiander (l. c. p. 422) mehr, als viele andere Arzneien. 5) Eine kräftige Fleischkost bleibt, wenn sie passend ist und keine Unreinlichkeiten im Verdauungssystem vorhanden sind, gegen eingewurzelte Skrofeln, englische Krankheit, Magenverschleimung und Würmer oft das beste Mittel. (S. Osiander l. c. p. 218.) Dabei viel frische Luft, Waschen, Baden, Bewegung im Freien, im Sonnenschein, und alle acht Tage ein Reinigungsmittel, bestehend aus Rhabarber- und Sennesblätterpulver, von jedem ein Lot, wovon Morgens früh alle zwei Stunden ein Teelöffel voll bis zum Eintritt der Wirkung genommen wird. 6) Bei kräftigen Männern mit gutem Magen bekommt eine starke Rindfleischbouillon besser, als Kalbfleischbrühe; nach letzterer stellt sich bei ihnen oft Diarrhöe ein. Verhütet wird letztere, wenn in solche Kalbfleischsuppe etwas Senf, Ingwer oder Pfeffer gestreut und sie so für den Magen pikanter gemacht wird.