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Wort nur Wortklang - Assoziationen

Worin besteht nun der wesentliche Unterschied zwischen Begriff und Wort? Wie mir scheinen will, nur in der Richtung der Aufmerksamkeit. Ich richte bei dieser psychologischen Untersuchung meine Aufmerksamkeit das eine Mal auf das Geräusch, welches meine Sprachorgane bei Hervorbringung des Lautkomplexes Hund zustande bringen, ich richte meine Aufmerksamkeit das andere Mal auf die Welt von Assoziationen, welche dieser Lautkomplex in mir anregt. Die wichtigste Fehlerquelle aller psychologischen Beobachtungen fängt an mitzuarbeiten, die Veränderung nämlich, welche Empfindung, Wahrnehmung oder auch Selbstbeobachtung eben durch die Aufmerksamkeit erfährt. Was dabei herauskommt, das ist schließlich immer etwas wie die Psychologie eines Psychologen, nicht die Psychologie des natürlichen Geisteslebens. Denn wo in aller Welt gibt es im menschlichen Denken ein Zentrum für die Welt von Assoziationen, wenn nicht im Worte? Und wo in aller Welt gebraucht der natürliche, der vorphilosophische Mensch ein Wort als bloßes Geräusch, ein Wort ohne die Assoziationen, die es zum Begriff machen? Diese Verknüpfung ist eine so zwingende, dass nicht einmal der Klangwert des bloßen Wortes richtig wahrgenommen wird, wenn keine Assoziationen sich mit dem Klange verknüpfen. Es ist bekannt, wie schwer es Missionaren wird, den Klang der Worte sogenannter wilder Völker zu fixieren; das liegt nicht nur daran, dass es an einem gemeinsamen Alphabete für alle Sprachen mangelt, es liegt auch daran, dass das völlig fremdartige Wort sich dem Hörer vorerst nicht mit anderen Klängen der gleichen Sprache assoziiert. Wir brauchen nicht bis nach der Südsee zu reisen, um das zu beobachten. Der Franzose hört zunächst keinen Unterschied zwischen Hund und und: der Süddeutsche hört zunächst keinen Unterschied zwischen autruche und Autriche. Es ist eine Psychologie in zweiter Potenz, eine Psychologie der psychologischen Aufmerksamkeit, welche zwischen Begriff und Wort unterscheidet und welche auf diesen Unterschied ein System von Urteilen und Schlüssen aufbauen kann, welches dann einerseits dem Bauernverstande. anderseits vom Standpunkte einer kritischen Erkenntnistheorie wie eitel Wortmacherei erscheint. Man hat beide Richtungen der Aufmerksamkeit in solche Systeme gebracht, man hat die Assoziationen des Begriffs in Regeln des Vernunftgebrauchs oder in der Logik geordnet, man hat die Wortklänge in Regeln des Sprachgebrauchs oder in der Grammatik geordnet, um am Ende verzweifelnd einzusehen, dass Logik sich ebenso sehr auf Grammatik stützt, wie Grammatik auf Logik. In Wahrheit hängt unser Geistesleben immer nur von den Assoziationen ab, die von dem Worte oder dem Assoziationszentrum ausstrahlen, und dieses Blickfeld des Wortes wieder hängt ab von der jeweiligen Situation unseres Bewußtseins. Die jeweilige Situation unseres Bewußtseins trägt in jedem Augenblicke den Sieg davon über Logik und Grammatik. Je nach der Situation des Bewußtseins kann im Geistesleben. des natürlichen Menschen der bloße Begriff jede Art von Urteil vertreten, aber dann auch das entsprechende Wort jede Art von Satz. Nur im geisttötenden Schulunterricht werden so leere Schulsätze gebildet wie "der Hund ist ein Tier". wobei dann die Psychologie des Psychologen zwischen Begriff und Wort unterscheiden kann. In der Wirklichkeit des Bewußtseins hängt es immer davon ab, wo der Blickpunkt im Blickfelde gesucht wird, das heißt wonach gefragt wird. Ein Jäger sieht in weiter Entfernung sich etwas bewegen und weiß noch nicht, ob es ein Wolf oder ein Hund ist; das Tier kommt näher, und der Jäger denkt "ein Hund". Da haben wir ein ganzes Benennungsurteil, und ich möchte den kennen, der mir sagen könnte, ob dieses Benennungsurteil in einem Begriffe oder in einem Worte verdichtet ist. Ein Kind traut sich nicht in ein Gehöft hinein, weil es das Bellen eines Hundes wahrgenommen hat. Das Kind sagt "ein Hund", und eine Welt von Assoziationen liegt darin. Zunächst das Subsumtionsurteil "der Hund ist ein Raubtier", was in der kindlichen Zoologie etwa so viel heißt wie "der Hund beißt". Sodann liegt darin das Erwartungsurteil, welches entweder nach des Kindes eigener Erfahrung oder nach der Erfahrung des Menschengeschlechts etwa lautet "der Hund wird beißen", was wieder nur eine übertriebene Ausdrucksform eines Möglichkeitsurteils ist. Und wieder möchte ich den kennen, der mir sagen könnte, ob alle diese Assoziationen sich an den Begriff oder an das Wort Hund knüpfen. Noch ein anderes Kind hat bisher nur Hunde aus Porzellan oder Gummi wahrgenommen und erhält nun einen lebendigen Hund zum Geschenk. Es bemerkt, dass dieser lebendige Hund Wirkungen hervorbringt, die an dem nachgemachten Hunde nicht zu beobachten waren. Der Hund frißt, der Hund läuft, der Hund bellt, der Hund beißt, der Hund atmet. Es vollzieht sich in dem Kulturkinde, und wenn es das Kind eines deutschen Professors wäre, die anthropomorphische Vorstellung, welche die Grundhypothese aller Erkenntnis ist und welche in Urzeiten auch den wehenden Wind und das fließende Wasser zu Wirkungen einer persönlichen Ursache machte. Es vollzieht sich die Vorstellung der "Hund lebt", oder vielmehr zunächst die Vorstellung "dieser Hund lebt". Hund oder Wauwau ist ein Eigenname, bevor er ein Begriff wird. Im Eigennamen ist Klang und Bedeutung noch schwieriger zu trennen. Doch auch später, wenn das erwachsene Kind (wie ich es einmal gehört habe) Wauwau sagt und sich irgend ein lebendes Wesen denkt, möchte ich wissen, was für den Begriff übrig bleibt, wenn man in der Seele dieses Kindes "Wauwau" als Assoziationszentrum und die Assoziationen selbst fortnimmt. Überall im wirklichen Bewußtseinsleben ist Begriff nur eine kurze Bezeichnung für die psychologische Tatsache, dass Lautkomplexe, wenn sie einer Sprache angehören, Assoziationen erzeugen.

Die Summe dieser Tatsachen nennen wir durcheinander Denken oder Vernunft oder Verstand, und die Wissenschaft bemüht sich die verschiedenen Ausdrücke, weil sie einmal da sind, mit mehr oder weniger Glück prägnant zu gebrauchen. Die Summe dieser Tatsachen ist aber doch nur die Summe der Tätigkeiten unseres Denkorgans, welche sich in keiner Weise trennen lassen von den Tätigkeiten, welche wir wieder mit einem andern Ausdrucke Sprache nennen. Für den natürlichen Menschen ist der Gebrauch seiner Vernunft und der Gebrauch seiner Muttersprache dasselbe; und der Witz der Sprache hat es recht gut gefügt, dass wir die zu einer sogenannten Regel gewordene Gewohnheit, welche aus dem Gebrauche einer Sprache zwischen den Menschen entstanden ist, in scheinbar anderer Bedeutung Sprachgebrauch nennen. Es ist aber gar keine andere Bedeutung. Würden wir menschliches Tun ebenso naturnotwendig sehen wie die übrige Welt, so könnten wir mit demselben Rechte sagen, es ist ein Formengebrauch der Natur, dass der Hund einen Schwanz hat.

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