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Kategorien der Rangordnung

Wir lesen mit albernem Lächeln bei den Forschern, welche asiatische Sprachen untersucht haben, welch seltsame Kategorien die Wörter vieler dieser Sprachen zu bilden vermögen. Die Höflichkeit dieser Völker ist so groß, dass sie Kategorien erfinden, welche in unseren Schulgrammatiken nicht ihresgleichen finden. Zu den höflichsten Völkern gehören die Japaner, welche, soweit ihre Sprache in Betracht kommt, keinem vornehmen Manne zumuten, selber etwas zu tun, aktiv zu sein. Der Japaner wird von einem hohen Beamten nicht einmal sagen, dass er selber essen solle; selbst das Essen und die Tätigkeit, die sogar der Kaiser von China selber tun muß, wird durch ein Wort, das "tun lassen" bedeutet, oder durch ein Passivum ausgedrückt. Für die Sprache der Koreaner hat man ausgerechnet, dass sie für die Rangordnung zwischen Höher-, Nieder- und Gleichgestellten einerseits und für den Ton der höheren oder der niederen Ehrerbietung anderseits 27 verschiedene Formen hätte.

Man achte aber einmal auf unseren Briefstil und auf den Ton amtlicher Schriftstücke vom Flurschütz bis hinauf zum Kaiser und vom Kaiser hinunter bis zum Flurschütz. Man wird in amtlichen Mitteilungen sofort auch ohne Nennung der Personen erkennen, ob vom Kaiser, von einem Minister, von einem Oberpräsidenten, von einem Landrat oder einem Ortsvorsteher die Rede ist; sogar der fast blasphemische Stil der Japaner, der einen vornehmen Mann nicht selber essen läßt, ist uns vollkommen geläufig in dem entsetzlichen "geruhen", wenn z. B. von einem Kaiser blödsinnig ausgesagt wird, er geruhe auszufahren, und ungeübtere Leute, welche mit so einem Kaiser reden, helfen sich denn auch, indem sie das Passivum anwenden. "Geruhen Majestät, ausgefahren zu werden?"

Überall da, wo Hoheit, Durchlaucht, Exzellenz in die Satzverbindung hineingearbeitet werden soll, hat der Amtsstil bei uns hinterindische Formen, und die 27 Ausdrucksweisen der koreanischen Höflichkeit, welche für Korea nur ausgerechnet, aber nicht im einzelnen nachgewiesen sind, dürften sich im deutschen Schreibwerk sicherlich nachweisen lassen. Man brauchte nur eine Probe darauf zu machen, ob nicht aus einem amtlichen Aktenstück — ohne Adresse, ohne Unterschrift und ohne sonstige Andeutungen — der hierarchische Grad des Schreibers sowohl, wie des Adressaten sich erkennen ließe.

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