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Namen und Verbum

Kehren wir von diesem Ausfluge in die Geschichte der Erkenntnistheorie zu unsrem metaphorischen Bedeutungswandel zurück.

Wir denken bei der Metapher zunächst an die Dingworte. Es gibt kaum ein geschichtlich verfolgbares Wort, das uns nicht ein gutes Beispiel geben würde. Das Wort erobert auf dem Wege der Metapher einen immer weiteren Kreis und verblaßt dabei in seinem Inhalt oder seinem Sinn. Das ist der gewöhnlichste Fall. Die französische Anrede monsieur mußte den ehrenden Sinn von monseigneur (senior) auf alle Welt ausdehnen, um so weit zu verblassen, wie wir es kennen. Die Bedeutung Herr (das deutsche Wort, ahd. hêriro, ebenso ein Komparativ wie senior) oder "vornehmer Herr" war wiederum eine Metapher von der Ältestenwürde; diese wieder von der bloßen Altersbezeichnung. Die Anwendung des Wortes auf das Alter scheint uns eine relative Urbedeutung, ist aber sicherlich wieder eine Metapher gewesen.

Beim Verbum ist das Abblassen der metaphorischen Anwendung noch hübscher zu beobachten, weil es unter unseren Augen unaufhörlich neue Sprachveränderungen zur Folge hat. Der regelmäßige Gang ist so, dass das Verbum, welches ursprünglich nur einem bestimmten Subjekte parallel ging, zuerst mit ausdrücklicher Hervorhebung des Bildes auf ein anderes Subjekt angewendet wird, dass später die ausdrückliche Vergleichung unterbleibt, aber die Metapher dem Sprachgefühl noch vorschwebt, und dass endlich die Metapher aus dem Bewußtsein schwindet und man von einem wirklichen Sprachgebrauche reden kann. Auch da müßte eine allwissende Sprachgeschichte von Jahrtausend zu Jahrtausend zurück die Metapher immer weiter und weiter jagen. Unsere unwissende Sprachgeschichte kann nur da einsetzen, wo der Zufall unserer Erkenntnis es gestattet. So ist irgend einmal das Wort "ausbrechen" mit dem Subjekt "Feuer" parallel gesetzt worden. Ein Dichter mag dann zuerst metaphorisch gesagt haben "der Krieg ist wie ein Feuer ausgebrochen" oder "das Kriegsfeuer ist ausgebrochen". Der Krieg im Lande war damals besonders durch brennende Häuser kenntlich gemacht. Dann kam eine Zeit, wo man noch das Bildliche des Ausdrucks "der Krieg ist ausgebrochen" mitverstand; jetzt nennt man diese alte Metapher einfach den Sprachgebrauch und denkt gar nicht mehr an das Feuer. Beim Erlernen fremder Sprachen ist dieser Parallelismus von Subjekt und Prädikat die schwierigste Sache; natürlich, weil in jedem solchen Sprachgebrauch eine ganze lange Metapherngeschichte verborgen ist. Unsere deutschen Worte "reiten", "fahren" sind jetzt auf bestimmte Fortbewegungsarten eingeschränkt; hinter dem gegenwärtigen Sprachgebrauch steckt eine individuelle Metaphergeschichte, die sich an die Kulturgeschichte anlehnt. Ist man auf diesen Zusammenhang erst aufmerksam gemacht worden, so gibt es kaum eine gegenwärtige Anwendung des Tätigkeitswortes, die nicht auf ihre metaphorische Entwicklung hin betrachtet werden könnte.

Besonders wichtig ist dabei, auf solche Fälle zu achten, wo das Prädikat in einer bestimmten Anwendungsart zu einem neuen Subjekt wurde. Denn wir müssen uns ja den Ursprung der Sprache so denken, dass die Prädikate (ich meine jetzt die psychologischen Prädikate) die ersten Worte waren, weil ja nach unserer Lehre in einer Urzeit das psychologische Subjekt oder die gegenwärtige Situation sprachlich so wenig ausgedrückt wurde, wie wenn wir heute "Feuer" rufen. Wird z. B. das eben erwähnte Wort "ausbrechen" auf die Kelter angewandt, so kann heute noch ein neues Wort "Ausbruch" entstehen, das eine bestimmte Weinsorte bezeichnet. Ein nettes Beispiel bietet das lateinische Wort dens (Zahn), wenn es anders wirklich etymologisch so viel heißt wie der Essende. Es wäre dann eine deutliche Metapher gewesen, solange man es als Prädikat gebrauchte, auf die scharfen Knochen im Munde hinwies und von ihnen aussagte, dass sie die eigentlich Essenden sind, "Beißerchen". In irgend einer vorhistorischen Zeit hatte man dann Veranlassung, diesen Sprachgebrauch aus dem Prädikat ins Subjekt zu verwandeln und das Dingwort war fertig. Geht nun der metaphorische Bedeutungswandel weiter, so wird wieder der heute gewöhnliche Sinn des Wortes (Zahn = dens) entweder im Sinn behalten oder nicht. In "Zahn der Zeit" müssen wir das Bild immer ausdrücklich nennen. In der Metapher "die Zähne weisen" wird die Metapher mit verstanden. Spricht aber ein Arbeiter von den Zähnen eines Rades, so ist die metaphorische Anwendung vollständig zum Sprachgebrauch geworden und die bewußte Metapher ist verschwunden.