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Max Müller

Max Müller kommt der Überzeugung, dass aller Bedeutungswandel metaphorisch ist, ziemlich nahe. Aber er versperrt sich den Ausblick selbst dadurch, dass er scharf zwischen zwei Arten der Metapher unterscheidet, zwischen der radikalen und der poetischen, und so nicht bemerkt, dass er gar kein Recht habe, bei der sogenannten radikalen Metapher von einem Bilde zu reden, wenn nicht zu irgendeiner Zeit des Bedeutungswandels psychologisch eine poetische Metapher vorhanden war. Er sieht nicht ein, wie erst der häufige Gebrauch der poetischen Metapher sie so unpoetisch, so automatisch machte, dass schließlich der bloße Bedeutungswandel für das Sprachbewußtsein vorzuliegen schien. Da wußte sogar schon der alte Quintilianus die Entstehung des Bedeutungswandels aus der Metapher richtiger zu betrachten; denn das ist wohl der Sinn seines überraschenden Satzes (9. Buch, 3, im Anfang): Si antiquum sermonem nostro comparemus, paene iam quidquid loquimur figura est.

Diese Vorstellungen von der Wichtigkeit der Metapher für die Geschichte der Sprache, ja von der Identität der Metapher mit dem Bedeutungswandel hatte sich bereits bei mir gefestigt, als ich durch einen mir bis dahin unbekannten Schriftsteller den Gedanken weiter zu verfolgen angeregt wurde. Bis dahin war Locke mein Führer gewesen, dessen Lehre von dem Übergang konkreter Bedeutungen zu abstrakten im Grunde doch nur das alte Wort Quintilians besser erklärte. Man brauchte bloß das paene fortzulassen, um die Alleinherrschaft der Metapher im Bedeutungswandel zu erkennen. Dabei erschien die Tätigkeit der allmählichen Sprachschöpfung ganz hübsch als eine dichterische, als was sie denn auch in jedem einzelnen Falle weiter gelten mag.