Zum Hauptinhalt springen

Zwischen den Menschen

Eine andere Auseinanderspaltung, welche der Sprachwissenschaft den Einblick in die Urzustände der Sprache verdunkelt, ist ihr Bemühen, zwischen der Sprache als Äußerung eines Menschen und als verständliche Mitteilung zwischen den Menschen zu unterscheiden. Wieder kann ich mir mit aller Anspannung meiner Phantasie einen solchen Gegensatz nicht vorstellen. Wohl ist in unseren luxurierenden Sprachen ein Monolog möglich geworden, wenn er auch selten genug vorkommt und immer eine besondere Erklärung finden wird, sei es in einem krankhaften Geisteszustand, sei es in einer gesteigerten Lebhaftigkeit, welche gewissermaßen eine zweite Person hinzu denkt oder den Redenden selbst in zwei Seelen auseinander hält. Aber gerade die Entstehung der Sprache ist gar nicht anders zu erfassen, es sei denn als etwas zwischen den Menschen. Das ist doch ein offenbarer Unsinn, sich auszumalen, der Mensch habe zuerst die Sprache an sich erfunden und sie dann zur Mitteilung seiner Gedanken benützt. Ebensogut hätten die Tiere ihre Beine entwickelt haben und viel später einmal auf den Gedanken kommen können: "Sapperlot, auf diesen Beinen könnten wir ja laufen!" Ebensogut könnte man lehren, die Menschen hätten zuerst das Spinnrad an sich erfunden und wären nachher auf den Einfall gekommen, darauf Wolle oder Hanf zu Garn zu spinnen. Die Sprache an sich, die Sprache vor dem Mitteilungszweck ist um nichts weniger dumm. Wie — nach der gegenwärtigen Auffassung der Naturwissenschaft — die Organe des tierischen Körpers, Sinnesorgane so gut wie Gliedmaßen, Augen so gut wie Beine, durch den Gebrauch, für den Gebrauch, ja eigentlich im Gebrauch sich entwickelt haben, so die Sprache von ihrem ersten unartikulierten Schrei bis zur Kanzelrede vom letzten Sonntag durch den Gebrauch, für den Gebrauch, im Gebrauch zwischen den Menschen.