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Tonwandel

Ebenso leicht und oberflächlich möchte ich an dieser Stelle noch einmal wiederholen, dass kein Bedeutungswandel ohne einen leisen Lautwandel vor sich geht. Dem scheint zu widersprechen, dass in allen angeführten Beispielen das Wortbild auf dem Papier das gleiche geblieben ist. Das liegt aber nur daran, dass wir weder Zeichen noch Ohren haben für die mikroskopischen Unterschiede des Akzents. Man achte aber auch auf ein Kind, wie es den Ton verändert, wenn es ein neu gelerntes Wort einmal als Gattungsbegriff und einmal als Eigennamen ausspricht. Es ruft Papa, wenn es metaphorisch einen bärtigen Mann auf der Straße bezeichnen will; es ruft die Silben fast tonlos, wie sie im Wörterbuch stehen. Meint es aber seinen eigenen Papa, dann schmettert es die zweite Silbe ordentlich heraus. Die Phonetik hat noch nicht daran gedacht, auf solche Unterschiede zu achten. Wohl aber weiß jeder gute Schauspieler, dass er oft einen Bedeutungswandel durch veränderte Betonung klar machen maß; und die Phonetik weiß, dass die veränderte Betonung einen Lautwandel verursacht. So ist z. B. ein geläufiges Wort für Abendbrot zum Eigennamen geworden für das letzte Abendbrot von Jesus Christus. Im Deutschen sagt man jetzt dafür Abendmahl oder gar das heilige Abendmahl. Früher sagte man einfach Nachtmahl für den Spezialnamen wie für den Gattungsbegriff. Wenn nun der Geist von Hamlets Vater dem Sohn erzählt, er sei ohne Nachtmahl gestorben, das heißt ohne heiliges Abendmahl, so wird selbst im Süden, wo das Abendbrot allgemein Nachtmahl heißt, kein Mensch im Theater lachen, sobald nur der Schauspieler das gefährliche Wort mit besonderem Nachdruck ausspricht. Freilich sind solche Tonveränderungen von der Phonetik nicht in Lautzeichen zu fassen, bevor sie nicht im Laufe der Zeit die Grenze überschritten haben, innerhalb deren unsere tauben Sinne keine Veränderung wahrnehmen.

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