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Adjektiv

Noch weiter zu dem Wesen der Bedeutungsmetapher gelangen wir, wenn wir neugebildete Eigenschaftswörter betrachten. Hier scheint es mir ganz außer Frage, dass alle Neubildungen, auch die seit Jahrhunderten gebrauchten, fast immer mit Bewußtsein eine Metapher aussprechen. In die Augen springt diese Tatsache bei Eigenschaftswörtern, die aus Eigennamen gebildet werden. Dantesk, Goethisch, Fritzisch (von Goethe für Bewunderer Friedrichs d. Gr. gebraucht) sagen deutlich, dass ein Mensch oder ein Werk oder ein Stil mit einem berühmten Manne in Vergleichung gesetzt werde. Genau so steht es um Worte wie löwengleich, wo die Sprache ganz naiv die Metapher andeutet, anstatt sie auszuführen. Aber auch alle Eigenschaftswörter auf -isch, -lich (ganz ähnlich in anderen Sprachen) sind offenbar Formeln für eine Metapher. Eine Sache ist rein, ein Mensch, den man mit ihr vergleichen will, heißt reinlich. Ein anderer Mensch, den man mit dem schmutzigen Schwein vergleichen will, heißt schweinisch. Eine genaue Durchsicht unserer Adjektive würde ergeben, dass alle diejenigen, deren Etymologie noch nachweisbar ist, solche Metaphern sind; und die Vermutung, dass alle Eigenschaftswörter auf bewußter Vergleichung mit Dingen ursprünglich beruhen, liegt nahe. Für unser heutiges Sprachgefühl liegt in "bläulich" eine Metapher von blau; wir wissen nur nicht mehr, was für eine bewußte Metapher in Urzeiten zu der Wortbildung blau Veranlassung gab.

In einen andern Zusammenhang gehört es, dass die Sprache auch hier die Wirklichkeit auf den Kopf stellt. In der wirklichen Geschichte unseres Denkens müßten wir zuerst Eigenschaften wahrgenommen und dann erst die Dinge ihnen untergeschoben haben; die Sprache dagegen macht Adjektive aus Substantiven. (Vgl. Wörterbuch der Philosophie, Artikel Adjektivische Welt.)

Für mich ergibt sich aus all dem, dass die Entwicklung der Sprache zum größten Teil eine Art Ernüchterung ist. Die Phantasie arbeitet viel lebhafter und schöner, solange sie die Worte metaphorisch gebraucht; haben wir erst die Erinnerung an das Metaphorische verloren, wird erst der Gebrauch der Metapher zur bewußtlosen Gewohnheit, so können wir uns leichter mitteilen, aber unsere Sprache hat an Vorstellungsinhalt verloren. Die Ursprachen müssen sich zu den unseren verhalten wie die wildeste Liebesleidenschaft zur ehelichen Gewohnheit. Eine Sprache ohne Eigenschaftswörter zwingt die Phantasie zu unaufhörlicher und heiterer Tätigkeit, zu Poesie.