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Geschichte

Es ist wohl keine Gewaltsamkeit, wenn man sagt, dass allein Geschichte außerhalb der strengen Naturwissenschaften stehe und dass Sprache allein Stoff der Geschichte ist.

Ich meine das so: man spricht nur uneigentlich von einer Geschichte der Tiere und der Pflanzen. Sie haben eine Geschichte eigentlich nur, insofern sie vom Menschen entnaturt worden sind. Man spricht sonst nur von Wanderungen der Tiere und Pflanzen, das heißt von ihrer unbewußten Geschichte. Wo im Völkerleben unbewußte große Massenwanderungen vorkommen, das heißt wo man keine ausreichenden Erklärungen und Darstellungen besitzt, da spricht man ebenso von Völkerwanderungen. Insofern nun die Menschen auf der Erde ihr pflanzliches Leben wie ihr tierisches geändert haben, könnte man ihre Geschichte als bloßes Wandern auffassen. Dasjenige, dem seit Voltaire die neuere Geschichte der Zivilisation zustrebt und was in Buckle den schärfsten Ausdruck gefunden hat, die nationalökonomische Entwicklung der Menschheit, das ist keine bewußte Geschichte, das ist Völkerwanderung. Dahin strebt alle materialistische Geschichtsauffassung. Die rechte Kulturgeschichte der Menschheit (natürlich nicht die ihrer Kriege und Könige allein) ist die Geschichte der menschlichen Gedanken, der menschlichen Worte, Illusionen und Glaubenssätze (nicht allein der religiösen); diese wahre Geschichte der bewußten, das heißt erinnerungsfähigen Menschheit ist die Geschichte ihrer Sprache.

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