Zum Hauptinhalt springen

Philosophie der Schauspieler

324.

Philosophie der Schauspieler. — Es ist der beglückende Wahn der großen Schauspieler, dass es den historischen Personen, welche sie darstellen, wirklich so zu Mute gewesen sei, wie ihnen bei ihrer Darstellung, — aber sie irren sich stark darin: ihre nachahmende und erratende Kraft, die sie gerne für ein hellseherisches Vermögen ausgeben möchten, dringt nur gerade tief genug ein, um Gebärden, Töne und Blicke und überhaupt das Äußerliche zu erklären; das heißt, der Schatten von der Seele eines großen Helden, Staatsmannes, Kriegers, Ehrgeizigen, Eifersüchtigen, Verzweifelnden wird von ihnen erhascht, sie dringen bis nahe an die Seele, aber nicht bis in den Geist ihrer Objekte. Das wäre freilich eine schöne Entdeckung, dass es nur des hellseherischen Schauspielers bedürfe, statt aller Denker, Kenner, Fachmänner, um in’s Wesen irgend eines Zustandes hinabzuleuchten! Vergessen wir doch nie, sobald derartige Anmaßungen laut werden, dass der Schauspieler eben ein idealer Affe ist und so sehr Affe, dass er an das „Wesen“ und das „Wesentliche“ gar nicht zu glauben vermag: Alles wird ihm Spiel, Ton, Gebärde, Bühne, Kulisse und Publikum.