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Ideenassoziation

Kein Gebiet der Psychologie ist von alters her so sauber ausgearbeitet worden, wie die Lehre von der Assoziation der Gedanken. Selbst noch der kleinste Katechismus der Psychologie weiß davon zu erzählen, wie eine Vorstellung immer durch eine andere hervorgerufen wird, und wie diese sogenannten Ideenassoziationen bald auf die Ähnlichkeit der Vorstellungen, bald auf den äußeren Zusammenhang in Raum und Zeit zurückzuführen seien. Wundt (Phys. Ps. II, 376) hat die Assoziationen schärfer in weitere Unterabteilungen geordnet, zuerst in äußere und innere Assoziationen, die äußeren wieder in die der gleichzeitigen Vorstellungen jeder Art und in die der sukzessiven Schall- und Gesichtsvorstellungen; die inneren Assoziationen hat er nach den Kategorien des Begriffs, der Ähnlichkeit und der Kausalität in ein System zu bringen gesucht. Diese "Ordnung" unbeobachteter Phänomene ist seitdem von den Schülern Wundts oft zerbrochen, geleimt, wieder zerbrochen und wieder geleimt worden. Lesenswert sind die Ausführungen von Ziehen, Münsterberg, Hellpach und Jerusalem. Eine gründliche Revision der psychologischen Sprache fehlt besonders auf diesem Gebiete.

Als letzte Unterlage der Gedankenassoziation muß die Wissenschaft die Übung der Nervenbahnen zugeben. Wenn die Geleise oder Spuren in den Nervenbahnen auch für unsere Instrumente nicht nachweisbar sind, ja selbst wenn man das Wort Spur vermeiden möchte, so muß man doch glauben, daß die verhältnismäßig leichtere Verbindung miteinander eingeübter Vorstellungen eine Veränderung der Nervenbahn voraussetze und verstärke, sowie sich die Übung des Athletenarms oder der Klavierspielerhand ganz deutlich im Wachstum des Muskels darstelle. Diese Zurückführung der Gedankenassoziation auf Nervenbahnübungen, also auf die eigentlichen Erzeuger unserer Worte, sollte leicht darauf schließen lassen, daß die Gedankenassoziation nichts weiter sein werde als eine andere Bezeichnung für die menschliche Sprache. Und sehen wir uns irgend eine Tafel der Assoziationen daraufhin an, so werden wir die Entdeckung machen, daß sich alle Formen der Assoziationen zurückführen lassen auf Vergleichungen oder Ähnlichkeiten, aus denen wir Begriffe oder Worte bilden, und auf solche, die wir aus den Begriffen oder Worten bilden. Die ersten, die begriffbildenden Assoziationen nennen wir in ihrer Hauptmasse (den reinen Gedächtniskram ausgenommen) ganz gut die äußeren Assoziationen; die Geschöpfe unserer Worte nennen wir ganz schlecht die inneren Assoziationen. Wir müssen zuerst die Kategorien der über- und untergeordneten Begriffe, der Ähnlichkeit und des Gegensatzes, des Zwecks und der Kausalität gebildet haben, bevor wir uns einbilden können, derartige Spiele der Worte in uns vorzufinden. Und weil Psychologie nicht Erkenntnistheorie ist, darum ist es für die Assoziations-, ebenso wie für die Apperzeptions-Psychologie nicht erforderlich, zu wissen, was Subsumtion, was Ähnlichkeit und Gegensatz, was Zweck und Kausalität eigentlich sei. Der Streit darüber, ob zuerst Psychologie oder Philosophie zu treiben sei, wird doch nicht am Ende lächerlich sein für die geistige Wirklichkeit?