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Mitleid

Mitleid heißt die Teilnahme am Unglück anderer und die hieraus entspringende Bereitwilligkeit, den Leidenden zu helfen. Diese Art des Mitgefühls ist viel verbreiteter als die Mitfreude, weil die Mitfreude schwer ist, und weil sich im Mitleide zu der Unlust des Leidens auch eine Art von Lust (the luxury of pity), nämlich die Steigerung des Selbstgefühls, die aus dem Bewußtsein, anderen helfen zu können, entspringt, und das Bewußtsein, augenblicklich selbst nicht zu leiden, hinzugesellt; Mitleid schmeichelt dem Selbstgefühl und geht, wo es werktätig und bleibend wird, leicht in Liebe über, Mitfreude dagegen hat die Liebe schon zur Voraussetzung. Trübsinn und Kummer disponieren zum Mitleid; doch bleibt das so entstandene Mitleid meist nur kontemplativ; der Heitere und Glückliche entledigt sich desselben durch schnelle Tat. Stolz weist geschenktes Mitleid zurück, während Eitelkeit es sucht. Der gewöhnliche Mensch will lieber beneidet als bemitleidet sein. – Nach Schopenhauer (1788-1860, Die beiden Grundprobleme der Ethik) ist das Mitleid die einzige moralische Triebfeder, die Quelle aller freien Gerechtigkeit und aller echten Menschenliebe. Nach Nietzsche (1844 bis 1900) taugt das Mitleid gar nichts. Eine große Rolle in der Erörterung der ästhetischen Frage vom Wesen des Tragischen hat die Definition des Mitleids, die Aristoteles gibt, gespielt: estô dê eleos lypê tis epi phainomenô kakô phtharktikô kai lypêrô tou anaxiou tynchanein ho kan autos prosdokêseien an pathein ê tôn autou tina, kai touto, hotan plêsion phainêtai: Es sei Mitleid die Trauer über ein sichtbares, verderbliches und leidbringendes Übel, das jemand trifft, der es nicht verdient, und von dem man wohl vermuten könnte, daß man selber oder daß einer unserer Angehörigen es erleiden könnte, besonders wenn es nahe erscheint. Rhet. II 8, p. 1385 b 13 ff. Schon Lessing in der Dramaturgie (Stück 75) erörterte den Aristotelischen Begriff des Mitleids ausführlich.