§ 12. Die Veralltäglichung des Charisma im Verwaltungsstab


§ 12. Mit der Veralltäglichung des Charisma aus dem Motiv der Nachfolger-Beschaffung parallel gehen die Veralltäglichungsinteressen des Verwaltungsstabes. Nur in statu nascendi und solange der charismatische Herr genuin außer alltäglich waltet, kann der Verwaltungsstab mit diesem aus Glauben und Begeisterung anerkannten Herren mäzenatisch oder von Beute oder Gelegenheitserträgen leben. Nur die kleine begeisterte Jünger- und Gefolgen-Schicht ist dazu an sich dauernd bereit, »macht« ihr Leben aus ihrem »Beruf« nur »ideell«. Die Masse der Jünger und Gefolgen will ihr Leben (auf die Dauer) auch materiell aus dem »Beruf« machen und muß dies auch, soll sie nicht schwinden.

Daher vollzieht sich die Veralltäglichung des Charisma auch

1. in der Form der Appropriation von Herrengewalten und Erwerbschancen an die Gefolgschaft oder Jüngerschaft und unter Regelung ihrer Rekrutierung.

2. Diese Traditionalisierung oder Legalisierung (je nachdem: ob rationale Satzung oder nicht) kann verschiedene typische Formen annehmen:

1.) Die genuine Rekrutierungsart ist die nach persönlichem Charisma. Die Gefolgschaft oder Jüngerschaft kann bei der Veralltäglichung nun Normen für die Rekrutierung aufstellen, insbesondere:

a) Erziehungs-,

b) Erprobungs-Normen. Charisma kann nur »geweckt« und »erprobt«, nicht »erlernt« oder »eingeprägt« werden. Alle Arten magischer (Zauberer-, Helden-)Askese und alle Noviziate gehören in diese Kategorie der Schließung des Verbandes des Verwaltungsstabes (s. über die charismatische Erziehung Kap. IV). Nur der erprobte Novize wird zu den Herrengewalten zugelassen. Der genuine charismatische Führer kann sich diesen Ansprüchen erfolgreich widersetzen, – der Nachfolger nicht, am wenigstens der (§ 11, d) vom Verwaltungsstab gekorene.

 

Alle Magier- und Krieger-Askese im »Männerhaus«, mit Zöglingsweihe und Altersklassen gehört hierher. Wer die Kriegerprobe nicht besteht, bleibt »Weib«, d.h. von der Gefolgschaft ausgeschlossen.

 

2.) Die charismatischen Normen können leicht in traditional ständische (erbcharismatische) umschlagen. Gilt Erbcharisma (§ 11, e) des Führers, so liegt Erbcharisma auch des Verwaltungsstabes und eventuell selbst der Anhänger als Regel der Auslese und Verwendung sehr nahe. Wo ein politischer Verband von diesem Prinzip des Erbcharisma streng und völlig erfaßt ist: alle Appropriation von Herrengewalten, Lehen, Pfründen, Erwerbschancen aller Art darnach sich vollziehen, besteht der Typus des »Geschlechterstaats«. Alle Gewalten und Chancen jeder Art werden traditionalisiert. Die Sippenhäupter (also: traditionale, persönlich nicht durch Charismen legitimierte Gerontokraten oder Patriarchen) regulieren die Ausübung, die ihrer Sippe nicht entzogen werden kann. Nicht die Art der Stellung bestimmt den »Rang« des Mannes oder seiner Sippe, sondern der erbcharismatische Sippenrang ist maßgebend für die Stellungen, die ihm zukommen.

 

Hauptbeispiele: Japan vor der Bureaukratisierung, zweifellos in weitem Maße auch China (die »alten Familien«) vor der Rationalisierung in den Teilstaaten, Indien in den Kastenordnungen, Rußland vor der Durchführung des Mjéstnitschestwo und in anderer Form nachher, ebenso: alle fest privilegierten »Geburtsstände« (darüber Kap. IV) überall.

 

3.) Der Verwaltungsstab kann die Schaffung und Appropriation individueller Stellungen und Erwerbschancen für seine Glieder fordern und durchsetzen. Dann entstehen, je nach Traditionalisierung oder Legalisierung:

a) Pfründen (Präbendalisierung, – siehe oben),

b) Ämter (Patrimonialisierung und Bureaukratisierung, – siehe oben),

c) Lehen (Feudalisierung), welche nun statt der ursprünglichen rein akosmistischen Versorgung aus mäzenatischen Mitteln oder Beute appropriiert werden. Näher:

Zu a:

α. Bettelpfründen,

β. Naturalrentenpfründen,

γ. Geldsteuerpfründen,

δ. Sportelpfründen,

durch Regulierung der anfänglich rein mäzenatischen (α) oder rein beutemäßigen (β γ) Versorgung nach rationaler Finanzorganisation.

 

zu α. Buddhismus, –

zu β. chinesische und japanische Reispfründen, –

zu γ. die Regel in allen rationalisierten Erobererstaaten, –

zu δ. massenhafte Einzelbeispiele überall, insbesondere: Geistliche und Richter, aber in Indien auch Militärgewalten.

 

Zu b: Die »Veramtung« der charismatischen Sendungen kann mehr Patrimonialisierung oder mehr Bureaukratisierung sein. Ersteres ist durchaus die Regel, letzteres findet sich in der Antike und in der Neuzeit im Okzident, seltener und als Ausnahme anderwärts.

β. volle lehensmäßige Appropriation der Herrengewalten.

 

Beides schwer zu trennen. Doch schwindet die Orientierung am Sendungscharakter der Stellung nicht leicht ganz, auch im Mittelalter nicht.


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