Auch wurden sie alle gefragt


was sie zwischen 5 und 7 machen. Das Berliner Tageblatt wollte es wissen. Es ist ja aber auch interessant. Oft habe ich mir schon gedacht: was macht jetzt, zwischen 5 und 7, der Hanns Heinz Ewers? Nun, ich vermute, er vergleicht sich zwischen 5 und 7 mit E. T. A. Hoffmann. Oder vielleicht mit Edgar Allan Poe. Oder auch mit Almquist. Er schrieb mir einmal, wie allen, von denen er glaubte, dass sie für die Kunst etwas übrig haben, schickte sein Buch und bat, ihn mit Edgar Allan Poe zu vergleichen. Oder mit E. T. A. Hoffmann. Und auch ein klein wenig mit Almquist. Ich tat es nicht. Ich vermied sogar, das Buch zu lesen, um der Notwendigkeit dieser Vergleiche zu entgehen, zu denen es mich sicher gezwungen hätte. Ich wußte, dass diese Vergleiche gerecht seien, denn ich fand sie genau so, wie sie sich auch der Autor gedacht hatte, in verschiedenen Kritiken. Auch wußte ich, dass dieser Autor beliebt und dämonisch sei, am Ganges zu Hause wie an der Panke, und als Vertreter angesehener Verlagsfirmen sogar bis ins Jenseits vorgedrungen. Ein transzendenter Weinreisender. Wir in Österreich haben Strobl, aber was das Grauen betrifft, sagen alle von der Branche, er sei zwar gut, jedoch in puncto Leistungsfähigkeit mit Ewers nicht zu vergleichen. Da war ich denn oft neugierig, was dieser, so zwischen 5 und 7, eigentlich mache. Was die Clara Sudermann oder Otto Sommerstorff oder Guido Thielscher zwischen 5 und 7 machen, interessierte mich zwar auch, aber schließlich, wenn man mir's nicht verraten hätte, hätte ich mir auch nicht viel daraus gemacht, sondern vielleicht gesagt: erfährst du's jetzt nicht, erfährst du's zum nächsten Neujahr, verloren ist nichts. Aber was ich mir nicht auf die lange Bank hätte schieben lassen, ist die Auskunft, die der Hanns Heinz Ewers geben würde, wenn man ihn fragte, was er denn eigentlich zwischen 5 und 7 mache. Denn eben das begehrte ich zu wissen. Er hat mich keineswegs enttäuscht. Es gibt Autoren, die anders in den Rundfragen sind und anders in den Werken. Dieser ist ein Ganzer. Er schrieb:

Es heißt zwar im westöstlidien Divan:

›Tut sich in Geheimnis wiegen,

Dann verplaudern früh und spat:

Dichter ist umsonst verschwiegen,

Dichten selbst ist schon Verrat!‹

Aber das gilt doch nur für Verse und ganz und gar nicht für die Zeitung! Und so muß ich Sie bitten, über das, was ich zur Teestunde tue, keine Aufklärung verlangen zu wollen, die Sie doch nicht abdrucken könnten, und erst recht nicht in Ihrer Neujahrsnummer. Denn das würde dem guten Rufe Ihres Blattes schaden — und meinem erst recht. Ich stehe nun mal — Gott sei Dank — in dem Gerüche eines sehr moralischen Menschen und möchte diesen Geruch beileibe nicht durch einen unangebrachten Wahrheitsfanatismus gefährden. Und dann bitte ich Sie, Ihren Lesern sagen zu wollen, dass ich abends zur l'heure de l'amour stets nur — rechne, kalkuliere, registriere, Kontenauszüge mache, Bilanzen ziehe und andere, jedem Dichter sehr notwendige und vertraute Arbeiten verrichte. Und dass ich lediglich deshalb zwischen 5 und 7 Uhr weder persönlich noch telephonisch zu sprechen bin.

Hanns Heinz Ewers.

Er beginnt natürlich mit Goethe, dem er sich, wie man sieht, als Besitzer eines Divans wahlverwandt fühlt. Aber er sagt beileibe nicht plump heraus, was er zwischen 5 und 7 macht. Er umschreibt sehr fein. Fein ist gar kein Wort. Wenn es nicht ebenso interessant wie schalkhaft ist, wenn speziell dieser Gedankenstrich vor dem »rechnen« nicht spannend, dieses Quiproquo zwischen Teestunde und l'heure de l'amour, zwischen Bilanz und Liebe nicht einfach süß, unwiderstehlich, totschick, ja geradezu donjuanesk ist, dann ist E. T. A. Hoffmann ein Commis voyageur. Von Poe und Almquist gar nicht zu reden.

 

 

Februar, 1913.


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