Die Erde: Ebbe und Flut, Feuer


Dann kam ich im besonderen auf die Erde zu sprechen: wie, obwohl ich ausdrücklich angenommen, dass Gott gar keine Schwere in die Materie gelegt habe, doch alle ihre Teile genau nach dem Mittelpunkt unablässig streben; wie bei der mit Wasser und Luft bedeckten Oberfläche die Richtung der Himmel und Gestirne, hauptsächlich des Mondes, dort eine Ebbe und Flut verursachen müßte, der Ebbe und Flut unserer Meere in allen Umständen ähnlich, und außerdem eine gewisse von Osten nach Westen gerichtete Bewegung, sowohl des Wassers als der Luft, wie man sie auch in den Tropen bemerkt; wie die Gebirge, die Meere, die Quellen und Ströme sich dort auf naturgemäße Weise bilden und die Metalle in die Gruben kommen, die Pflanzen auf den Feldern wachsen und überhaupt alle gemischten oder zusammengesetzten Körper sich erzeugen könnten. Und weil ich außer den Gestirnen nichts Licht Hervorbringendes in der Welt kannte als das Feuer, so bemühte ich mich, alles, was zu seiner Natur gehört, deutlich darzutun: wie es entsteht, wie es sich erhält, wie es manchmal nur Wärme ohne Licht und manchmal nur Licht ohne Wärme hat, wie es verschiedene Farben und verschiedene andere Beschaffenheiten in verschiedene Körper einfügen kann, wie es einige Körper schmelzt, andere verhärtet, wie es sie fast alle verzehren oder in Asche und Rauch verwandeln, endlich wie es bloß durch die Gewalt seiner Tätigkeit aus dieser Asche Glas bilden kann. Denn diese Verwandlung (transmutation) der Asche in Glas schien mir so bewundernswürdig wie irgendeine andere Metamorphose in der Natur, und deshalb machte es mir ein besonderes Vergnügen, sie zu beschreiben.

Doch wollte ich aus alledem nicht etwa den Schluß ziehen, dass die Welt tatsächlich auf die von mir dargestellte Art und Weise geschaffen worden sei, denn es ist bei weitem wahrscheinlicher, dass sie Gott gleich im Anfang so gemacht hat, wie sie sein mußte. Aber es ist gewiß und eine auch bereits unter den Theologen geläufige Meinung, dass die erhaltende Tätigkeit Gottes ganz dieselbe ist wie seine schaffende. Wenn also der Welt im Anfange Gott auch nur die Form des Chaos gegeben, aber zugleich die Gesetze der Natur feststellte und ihr seinen Beistand lieh, um in ihrer Weise zu wirken, so kann man überzeugt sein, ohne dem Wunder der Schöpfung Eintrag zu tun, dass dadurch allein alle bloß materiellen Dinge sich mit der Zeit in die Verfassung hätten bringen können, in der wir sie jetzt sehen; und ihre Natur ist weit leichter zu begreifen, wenn man sie auf diese Weise allmählich entstehen sieht, als wenn man alle nur als fertig betrachtet.


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Seite zuletzt aktualisiert: 21.12.2006 
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