Der Blutkreislauf


Wenn man aber fragt, wieso das Blut der Venen sich nicht erschöpfe, da es ja beständig in das Herz fließt, und wieso die Arterien nicht zu voll werden, weil alles Blut, welches durch das Herz hindurchgeht, in sie einströmt, so brauche ich darauf nur mit der Schrift eines englischen Arztes zu antworten, der den Ruhm verdient, an dieser Stelle das Eis gebrochen und zuerst gelehrt zu haben, dass es an den äußersten Enden der Arterien mehrere kleine Gänge gibt, wodurch das Blut, welches die Arterien vom Herzen empfangen, in die kleinen Zweige der Venen eindringt, von wo es wiederum dem Herzen zuströmt, so dass sein Lauf nur eine beständige Zirkulation ausmacht. Er beweist die Sache sehr richtig durch die gewöhnliche Erfahrung der Chirurgen, die den Arm über der Stelle, wo sie die Vene öffnen, mit mäßiger Stärke binden, und dadurch bewirken, dass das Blut reichlicher hervorströmt, als wenn sie den Arm gar nicht gebunden hätten; gerade das Gegenteil würde stattfinden, wenn sie ihn unterhalb, nämlich zwischen der Hand und der geöffneten Vene, oder auch wenn sie ihn oberhalb (der Vene) sehr stark bänden. Denn es ist offenbar, dass ein mäßig geknüpftes Band wohl verhindern kann, dass das schon im Arm befindliche Blut durch die Venen nach dem Herzen zurückkehrt, aber deshalb nicht verhindert, dass es immer von neuem durch die Arterien kommt, weil diese unterhalb der Venen liegen und ihre Gewebe fester und darum weniger leicht zu drücken sind, und weil auch das Blut, das vom Herzen kommt, mit mehr Gewalt durch die Arterien nach der Hand zueilt, als es von dort durch die Venen nach dem Herzen zurückkehrt. Und weil dieses Blut vom Arm durch die Öffnung einer der Venen ausströmt, so muß es notwendig unterhalb des Bandes, das heißt an den Extremitäten des Armes Gänge geben, durch welche das Blut aus den Arterien herkommt. Er beweist seine Theorie des Blutumlaufs sehr gut durch gewisse kleine Häute, die in der Länge der Venen so angebracht sind, dass sie das Blut nicht aus der Mitte des Körpers nach den Extremitäten durchströmen, sondern nur von den Extremitäten nach dem Herzen zurückkehren lassen. Und außerdem noch durch die Erfahrung, welche beweist, dass alles Blut, das sich im Körper befindet, in sehr weniger Zeit durch eine einzige geöffnete Arterie ausströmen kann, auch wenn sie ganz nahe beim Herzen festgebunden und an einer Stelle zwischen dem Bande und dem Herzen geschlagen würde, so dass man unmöglich meinen könnte, das ausströmende Blut käme wo anders her als vom Herzen.

Aber es gibt dafür noch mehrere andere Beweise, dass die wahre Ursache dieser Blutbewegung die von mir erklärte ist. So kann vor allem der Unterschied, welchen man zwischen dem venösen und arteriellen Blut bemerkt, uns dahin führen, dass das Blut, nachdem es sich bei seinem Durchgange durch das Herz verdünnt und destilliert hat, unmittelbar nach seinem Austritt, das heißt in den Arterien, feiner und lebhafter und wärmer ist als kurz vor seinem Eintritt, das heißt in den Venen. Und wenn man hierauf achtet, so wird man finden, dass dieser Unterschied nur in der Gegend des Herzens sich recht bemerkbar macht und nicht ebensosehr an den vom Herzen entferntesten Stellen. Dann ist die Härte der Häute, woraus die arteriöse Vene und die große Arterie gebildet sind, ein zureichender Beweis, dass das Blut kräftiger gegen sie als gegen die Venen anschlägt. Und warum würde die linke Herzkammer und die große Arterie umfassender und weiter sein als die rechte Kammer und die arteriöse Vene, wenn nicht das Blut der venösen Arterie, welches nach seinem Durchgang durch das Herz in den Lungen war, sich mehr verfeinert und stärker und leichter verdünnt hätte als das, welches unmittelbar aus der Hohlvene kommt? Und was können die Ärzte, wenn sie den Puls fühlen, vermuten, wenn sie nicht wissen, dass, je nachdem das Blut seine Natur ändert, es durch die Wärme des Herzens mehr oder weniger stark, mehr oder weniger schnell verdünnt werden kann als zuvor? Und wenn man untersucht, wie sich diese Wärme den anderen Gliedern mitteilt, muß man nicht bekennen, dass es vermöge des Blutes geschieht, welches sich beim Durchgang durch das Herz hier wieder erwärmt und sich von hier durch den ganzen Körper verbreitet? Daher kommt es, dass Blutverlust zugleich Wärmeverlust ist, und wäre das Herz so glühend wie ein entzündetes Eisen, so würde es doch nicht zureichen, um Füße und Hände, so wie es der Fall ist, zu erwärmen, wenn es nicht beständig neues Blut hinsendete.


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