Vierter Grundsatz:
Hingabe an die eigene Methode zur Erkenntnis der Wahrheit


Endlich, um diese Moral zu beschließen, kam ich auf den Gedanken, über die verschiedenen Beschäftigungen der Menschen in diesem Leben eine Musterung zu halten und die Wahl der besten zu versuchen, und ohne etwas von den Beschäftigungen anderer Leute sagen zu wollen, meinte ich, dass ich am besten tun würde, in der meinigen fortzufahren, das heißt mein ganzes Leben darauf zu verwenden, meine Vernunft auszubilden und mich soweit als möglich vorwärtszubringen in der Erkenntnis der Wahrheit nach der Methode, die ich mir vorgeschrieben hatte. Ich hatte, seit ich angefangen, diese Methode zu brauchen, so außerordentlich große Befriedigungen erfahren, dass ich glaubte, es könne in diesem Leben keine angenehmere und reinere geben, und da ich täglich durch diese Methode einige Wahrheiten entdeckte, die mir wichtig genug und von den anderen Menschen gewöhnlich nicht gewußt schienen, so erfüllte die daraus geschöpfte Genugtuung meinen Geist dergestalt, dass alles andere mich gar nicht berührte.

Auch waren die drei vorhergehenden Grundsätze nur auf die Absicht gegründet, meiner Selbstbelehrung zu leben. Denn da Gott jedem ein Licht gegeben hat, um das Wahre vom Falschen zu unterscheiden, so würde ich nicht geglaubt haben, mich mit fremden Ansichten nur einen Augenblick befriedigen zu dürfen, wenn ich nicht entschlossen gewesen wäre, im richtigen Zeitpunkt mein eigenes Urteil zu ihrer Prüfung zu gebrauchen, und ich hätte ihnen nicht ohne Bedenken folgen können, wenn ich nicht gehofft hätte, deshalb keine Gelegenheit zu verlieren, um bessere zu finden, wenn es deren gäbe. Endlich würde ich meine Wünsche nicht haben einschränken und zufrieden sein können, hätte ich nicht einen Weg verfolgt, auf dem ich sicher sein konnte, mir alle Erkenntnisse, deren ich fähig wäre, zu erwerben und deshalb auch sicher der Erwerbung aller wahren Güter, die je in meiner Macht sein würden. Denn da unser Wille sich nur anläßt, etwas zu verfolgen oder zu fliehen, je nachdem unser Verstand ihm dasselbe als gut oder schlecht vorstellt, so genügt es, gut zu urteilen, um gut zu handeln, und so gut wie möglich zu urteilen, um so gut wie möglich zu handeln, das heißt, um alle Tugenden und zugleich alle übrigen erreichbaren Güter zu erreichen, und wenn man sicher ist, dass man sie hat, so muß man zufrieden sein.


 © textlog.de 2004 • 06.11.2024 01:47:34 •
Seite zuletzt aktualisiert: 21.12.2006 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright