»Cogito, ergo sum« als das erste Prinzip der Philosophie


Ich weiß nicht, ob ich euch von den ersten Betrachtungen (meditations, cogitationes), die ich hier gemacht habe, unterhalten soll, denn sie sind so metaphysisch und so wenig in der gewöhnlichen Art, dass sie wohl schwerlich nach jedermanns Geschmack sein werden. Doch, um prüfen zu lassen, ob die Grundlagen, die ich genommen habe, fest genug sind, bin ich gewissermaßen genötigt, davon zu reden. Seit lange hatte ich bemerkt, dass in betreff der Sitten man bisweilen Ansichten, die man als sehr unsicher kennt, folgen müsse (wie schon oben gesagt worden), als ob sie ganz zweifellos wären. Aber weil ich damals bloß der Erforschung der Wahrheit leben wollte, so meinte ich gerade das Gegenteil tun zu müssen und alles, worin sich auch nur das kleinste Bedenken auffinden ließe, als vollkommen falsch verwerfen, um zu sehen, ob danach nichts ganz Unzweifelhaftes in meinem Fürwahrhalten übrigbleiben würde. So wollte ich, weil unsere Sinne uns bisweilen täuschen, annehmen, dass kein Ding so wäre, wie die Sinne es uns vorstellen lassen; und weil sich manche Leute in ihren Urteilen selbst bei den einfachsten Materien der Geometrie täuschen und Fehlschlüsse machen, so verwarf ich, weil ich meinte, dem Irrtum so gut wie jeder andere unterworfen zu sein, alle Gründe als falsch, die ich vorher zu meinen Beweisen genommen hatte; endlich, wie ich bedachte, dass alle Gedanken, die wir im Wachen haben, uns auch im Schlaf kommen können, ohne dass dann einer davon wahr sei, so machte ich mir absichtlich die erdichtete Vorstellung, dass alle Dinge, die jemals in meinen Geist gekommen, nicht wahrer seien als die Trugbilder meiner Träume. Alsbald aber machte ich die Beobachtung, dass, während ich so denken wollte, alles sei falsch, doch notwendig ich, der das dachte, irgend etwas sein müsse, und da ich bemerkte, dass diese Wahrheit »ich denke, also hin ich« (je pense, donc je suis; Ego cogito, ergo sum, sive existo) so fest und sicher wäre, dass auch die überspanntesten Annahmen der Skeptiker sie nicht zu erschüttern vermöchten, so konnte ich sie meinem Dafürhalten nach als das erste Prinzip der Philosophie, die ich suchte, annehmen.


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Seite zuletzt aktualisiert: 21.12.2006 
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