
Wahrheit, Irrtum
Die Einsicht in die Existenz des denkenden Ichs ist also untrüglich. Und nun findet Descartes rasch den Zugang zu weiteren Erkenntnissen (bzw. zu deren Rechtfertigung). Wahr ist alles, was die Merkmale jener Einsicht hat, nämlich Evidenz. »Klarheit und Deutlichkeit« sind das Kriterium der Wahrheit. Klar (»clarum«) ist, was dein aufmerksamen Geiste einsichtig (»aperta«) ist, deutlich (»distinctum«), was zugleich so von anderem unterschieden wird, daß, es nur Klares in sich enthält. »Video pro regula generali posse statuere, illud omne esse verum quod valde clare et distincte percipio« (Medit. III). Daß diese Merkmale uns nicht trügen, daß uns mit den klaren und deutlichen Begriffen nicht ein allmächtiger Dämon täuscht, sucht Descartes durch den Beweis der Existenz Gottes darzulegen, zu dessen Attributen die Wahrhaftigkeit (»vera-citas«) gehört. Diese verbürgt uns die absolute Richtigkeit des Wahrheitskriteriums, denn Gott kann uns nicht täuschen wollen, sondern hat uns das »lumen naturale«; das Existenzbewußtsein gegeben. Der Irrtum aber ist nur unsere Schuld, indem wir weiter denken, entscheiden wollen, als es der Intellekt vermag, dessen Fähigkeiten nicht unendlich sind; so entspringt der Irrtum »ex eo uno quod cum latius pateat voluntas quam intellectus, illam non intra eosdem limites contineo, sed etiam ad illa, quae non intelligo, extendo« (Med. IV). Nur im Urteil, nicht in den Dingen und Vorstellungen liegen Wahrheit und Irrtum. Außer den von außen erzeugten (»ideae adventitiae«) und unseren Phantasievorstellungen u. dgl. (»a me ipso factae«) gibt es auch angeborene (»innatae«) Ideen, die der Geist (auf Grund von Anlagen) aus sich selbst gewinnt, wie z.B. die Idee Gottes. Sie entspringen aus der Denkfähigkeit mit Notwendigkeit (»a sola facultate cogitandi necessitate quadain naturae ipsius mentis manant«). Es gibt ewige Wahrheiten, welche unbedingt und zeitlos gelten, wenn sie auch keine Existenz außerhalb des Denkens haben, z.B. der Satz, daß aus nichts nichts geschieht. Die mathematisch-logischen Grundsätze gelten absolut. Die mathematischen Erkenntnisse sind klar und deutlich und daher gewiß, sie enthalten etwas Apriorisches; Intuition und Verstand sind an ihnen beteiligt. Die Geometrie wird grundlegend für die Erkenntnis der Körperwelt, indem alles aus den Sinnen stammende Qualitative (Farben, Töne usw.) nur subjektiv (»in nostra tantum cogitatione«) ist, während Ausdehnung, Größe, Gestalt, Bewegung den Körpern selbst zukommt, welche also geometrisch-quantitativ bestimmt werden (vgl. auch Galilei u. a.). Die Sinnesqualitäten sind nur Reaktionen des empfindenden Subjekte auf die Einwirkungen der Dinge; sie sind ohne objektiven Erkenntniswert, haben nur biologische Bedeutung.