Seele, Affekte, Wille
- Ethik
Die Seele faßt Descartes, im Sinne des anthropologischen Dualismus, als eine vom Körper qualitativ und numerisch verschiedene, immaterielle, einfache, unzerstörbare Substanz auf. Die Seele ist die »denkende« Substanz, sie denkt immer, denn das Denken (cogitatio) im weiteren Sinne gehört zu ihrem Wesen. Seele und Leib sind »unvollständige Substanzen«, die durch Gott miteinander vereinigt sind und (vermittelst der »Assistenz« Gottes) miteinander in Wechselwirkung stehen, so aber, daß die Seele nicht die Menge, nur die Richtung der Bewegung zu beeinflussen vermag. Wenn auch die Seele mit dem ganzen Leibe verbunden ist, so wirkt sie doch vorzugsweise vom Gehirn aus und zwar von der Zirbeldrüse (glandula pinealis). Von hier aus verbreiten sich die (aus dem Blut aufsteigenden) »Lebensgeister« (spiritus animales) durch die Nerven und wirken vermittelst der Muskeln motorisch. Rein tätig ist die Seele nur im Denken und Wollen, in ihren sinnlichen Vorstellungen, Gefühlen und Gemütsbewegungen ist sie zum Teil vom Leibe und dessen Zuständen abhängig. Die Empfindungen entstehen durch Affektion der Seele vermittelst der Lebensgeister in den Nerven, welche seitens der Dinge erregt werden; sie sind daher zwar objektiv veranlaßt, selbst aber nur Zustände der Seele (»mentis affectiones«) Beim Vorstellen ist die Seele den im Gehirn zurückgebliebenen Spuren der Eindrücke, den Ideenbildern (»ideae rerum materialium«) zugewandt. Auf diesen Spuren beruht auch die Assoziation der Vorstellungen (»associatio idearum mechanica«). Das Denken ist vom Willen geleitet, indem das Urteil (der »actus iudicandi«) in einer Zustimmung des Willens (»assensus«) besteht. »Affirmare, negare, dubitare sunt diversi modi volendi« (Princ. philos. I, 32). Es gibt eben äußere und innere Willenshandlungen. Es besteht Willensfreiheit, indem wir die Fähigkeit der Wahl haben und unsere Zustimmung suspendieren können, bis wir, durch eine klare und deutliche Einsicht beeinflußt, aktiv zu handeln vermögen. Die Leidenschaften (Affekte, Gemütsbewegungen, »passiones animae«) knüpfen sich an bestimmte Vorstellungen und werden durch Bewegungen der Lebensgeister ausgelöst. Die sechs Grundaffekte sind: Bewunderung, Liebe, Haß, Begierde, Freude, Trauer (Pass. anim. II, 51; 69). Eine Disziplinierung unserer Affekte ist notwendig, damit die Vernunft zur Herrschaft gelangt. Die geistige Liebe zu Gott (vgl. Spinoza) ist der edelste Affekt.
Die Ethik (welche auf »Physik«, d.h. hier Psychologie, zu gründen ist) hat Descartes nicht ausgebaut. In der Abhandlung über die Methode gibt er einige Sittenregeln, in welchen von Anpassung an die Landesverhältnisse, von Mäßigung, Folgerichtigkeit des Handelns die Rede ist. Die Glückseligkeit knüpft sich an die Tugend, den sittlichen Willen, das reine Gewissen (Epist. I, l).