Beispiele von Kollektivhalluzinationen


Der folgende Fall wurde gewählt, weil er besonders allgemeingültig für Kollektivhalluzinationen ist. Er wirkte sich auf eine Menge aus, die aus den verschiedensten einzelnen — unwissenden und gebildeten — bestand. Er wird von dem Schiffsleutnant Julien Felix in seinem Buch über die Meeresströmungen nebenher berichtet und ist auch in die "Revue Scientifique" aufgenommen worden.

Die Fregatte "La Belle-Poule" kreuzte auf See, um die Korvette "Le Berceau" wiederzufinden, von der sie durch einen heftigen Orkan getrennt worden war. Es war am hellen, lichten Tage. Plötzlich signalisiert die Wache ein Schiff in Seenot. Die Mannschaft richtet ihre Blicke auf die bezeichnete Stelle, und alle, Offiziere und Matrosen, sehen deutlich ein menschenbeladenes Wrack, welches von kleinen Fahrzeugen, auf denen Notsignale flatterten, geschleppt wurde. Admiral Desfossés ließ ein Boot bemannen, um den Schiffbrüchigen zu Hilfe zu eilen. Während sie sich näherten, sahen die im Boot befindlichen Matrosen und Offiziere "Massen von Menschen sich hin und her bewegen, die Hände ausstrecken und vernahmen den dumpfen und verworrenen Lärm einer großen Anzahl Stimmen." Als das Boot angekommen war, fand man nichts weiter vor als einige mit Blättern bedeckte Baumäste, die sich von der benachbarten Küste losgerissen hatten. Vor einem so handgreiflichen Beweis schwindet die Täuschung.

Dies Beispiel enthüllt ganz klar den Verlauf der Kollektivtäuschungen, wie wir ihn beschrieben haben. Auf der einen Seite eine Masse im Zustand gespannter Aufmerksamkeit; auf der andern eine Suggestion, die von der Wache ausgeht, die ein schiffbrüchiges Fahrzeug auf dem Meer signalisiert, eine Suggestion, die durch Übertragung von allen Anwesenden, Offizieren wie Matrosen, aufgenommen wird.

Eine Masse braucht nicht zahlreich zu sein, um die Fähigkeit richtigen Sehens zu verlieren und die wirklichen Tatsachen durch davon abweichende Täuschungen zu ersetzen. Die Versammlung einiger einzelner bildet eine Masse; und selbst wenn es hervorragende Gelehrte wären, so würden sie doch alle für die Dinge, die außerhalb ihres Faches liegen, die Massenkennzeichen annehmen. Das Beobachtungsvermögen und der kritische Geist eines jeden von ihnen schwinden sofort.

Ein scharfsinniger Psychologe, Davey, liefert uns dafür ein recht merkwürdiges Beispiel, welches vor kurzem in den "Annales des Sciences psychiques" mitgeteilt wurde und es verdient, hier berichtet zu werden. Davey berief eine Versammlung ausgezeichneter Beobachter ein, unter ihnen den hervorragenden englischen Forscher Wallace, und führte ihnen, nachdem er sie die Gegenstände untersuchen und beliebig hatte versiegeln lassen, alle klassischen Phänomene des Spiritismus vor: Materialisation von Geistern, Schiefertafelschrift usw. Nachdem er hierauf von diesen berühmten Beobachtern schriftliche Berichte erhalten hatte, in welchen erklärt wurde, die beobachteten Erscheinungen seien nur auf übernatürlichem Wege möglich gewesen, enthüllte er ihnen, dass sie das Ergebnis sehr einfacher Kniffe waren. "Das Erstaunliche an diesem Versuch Daveys", schreibt der Verfasser des Berichts, "ist nicht die Bewunderung der Kunststücke als solcher, sondern die außerordentliche Geistlosigkeit der Berichte, welche die uneingeweihten Zeugen darüber abgaben. Denn die Zeugen haben zahlreiche und genaue Berichte geliefert, die völlig irrig sind, die aber, wenn man ihre Schilderungen für richtig hält, zu dem Ergebnis führen, dass die geschilderten Vorgänge durch Betrug nicht zu erklären sind. Die von Davey ersonnenen Methoden waren so einfach, dass man sich über die Kühnheit wundert, mit der er sie anwandte, er besaß aber eine solche Macht über den Geist der Masse, dass er ihr das, was sie nicht sah, als gesehen aufzwingen konnte." Diese Macht hat der Hypnotiseur immer über den Hypnotisierten. Sieht man aber, wie sie sich auf überlegene, von vornherein mißtrauische Geister auswirkt, dann begreift man, mit welcher Leichtigkeit die gewöhnlichen Massen zu täuschen sind.


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Seite zuletzt aktualisiert: 08.12.2006 
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