Die vertragsmäßige Basis des Gemeinschaftsverhältnisse


Kommen wir nun auf die Basis des Gemeinschaftsverhältnisses, so ist dieselbe formell eine vertragsmäßige. Zwar setzt sich die Gemeinschaft des Haushalts von Generation zu Generation fort, Teilnehmer sind dauernd dieselben Personen und deren Deszendenz; aber es wird formell jedesmal eine zeitlich, auf eine bestimmte Anzahl von Jahren, beschränkte Gesellschaft durch schriftlichen Sozietätsvertrag200 geschaffen und die Anteilsrechte der Teilnehmer wechseln bei jeder Erneuerung.

Das Grundkapital der Sozietät – il corpo della compagnia – setzt sich aus den Einlagen der socii zusammen.

Diesen Einlagen, welche in der Regel, soviel ersichtlich, runde Summen darstellen, wird Gewinn und Verlust zu- und abgeschrieben. Die Einlage darf der socius nicht vermehren oder vermindern vor der Generalrechnung, saldamento della compagnia201, die im allgemeinen alle 2 Jahre aufgemacht wird. Bis dahin bleibt die Einlage auch beim Tode des socius vinkuliert und maßgebend für die Gewinn- und Verlustverteilung. Erst beim Saldamento kann er die Einlage dem Betrage nach ändern und ist dann von da an entsprechend der vergrößerten oder verkleinerten Höhe derselben als socius beteiligt, sein neues Kapitalkonto wird mit diesem Betrage eröffnet. Da sich erst beim saldamento der etwaige Gewinn ergibt, so sind zweifellos auch »Entnahmen« des socius vorher überhaupt auf sein Kapitalkonto nicht zulässig202, sondern, wie wir oben sahen, auch die persönlichen und Haushaltsbedürfnisse bestreitet die Sozietätskasse und legt sie später um. (Vielleicht oder vielmehr höchst wahrscheinlich hat man später die gemeinsame Haushaltskasse von der Sozietätskasse getrennt.) Das Sozietätsvermögen war hiernach ein formell geschlossenes.

Die Einlage des socius umfaßte nicht sein gesamtes Vermögen.

Zunächst bleibt außerhalb des Sozietätsvermögens der Immobiliarbesitz. Gemeinsame Immobilien finden sich, insbesondere ist das Haus in Florenz, welches die Niederlassung der Gesellschaft bildet, offenbar gemeinsam. Aber aus den Sozietätsverträgen und Abrechnungen scheint hervorzugehen, daß man nur die Einlagen an Kapital berechnete und buchte, die Auseinandersetzung und die Berechnung der Anteile sich nur auf das mobile Vermögen bezog. Es entspricht das ja dem oben generell Erörterten. Der wesentliche Teil des anscheinend, den damaligen Gewohnheiten entsprechend, sehr umfangreichen Immobiliarbesitzes stand aber im Sondereigentum der Teilhaber und kam für die Gemeinschaft überhaupt nicht in Betracht. In den Florentiner Familien findet sich bekanntlich ein starker Besitz an Häusern und Häuseranteilen. Das Immobiliarvermögen der einzelnen socii wird aber in den Sozietätsverträgen gar nicht erwähnt.

Indessen auch Mobiliarvermögen besitzen die socii außerhalb des Gesellschaftsfonds, und darunter, was für uns besonders wesentlich ist, Kapitalien, welche werbend bei der Kompagnie angelegt sind und doch nicht zur Einlage gehören. In fast allen Sozietätsverträgen wird Bestimmung über diejenigen Gelder getroffen, welche ein socius »fuori del corpo della compagnia« hat. Da nun das Charakteristikum des corpo della compagnia ist, daß der socius seinen Anteil daran nicht vor der Abrechnung verändern kann, so muß angenommen werden, daß jene anderen Kapitalien nicht in dieser Weise vinkuliert sind. Sie würden also ein Konto des socius darstellen, welches er vermehren oder vermindern kann auch zu anderen Zeiten als bei der Generalrechnung. Dem entspricht, – und dies ist wirklich mehrfach in den Sozietätsverträgen ausdrücklich gesagt –, daß sie auch nicht in derselben Weise wie die Einlagen der socii am Gewinn und Verlust partizipieren können. In der Regel scheinen sie von der Sozietät dem socius verzinst worden zu sein, wie ein heutiges jederzeit kündbares Depot203.

Die beste Uebersicht des ganzen Verhältnisses gibt der Erbrezeß der Brüder Carroccio, Duccio und Alberto di Lapo del Giudice dei Alberti vom Jahre 1336 über das Vermögen ihres 1319 verstorbenen Vaters, welches also bis dahin, 17 Jahre hindurch, ungeteilt geblieben war. Die wesentlichen Bestimmungen desselben mögen daher hier Platz finden204.

Lapo del Giudice hat bei seinem Tode 1200 l. in der Kompagnie als Einlage stecken gehabt. Bei der Teilung 1336 sind vorhanden:


l.22 300dentro il corpo delle compagnia
l.10 308sol. 18 den. 6 fuori del corpo dalla cia, zusammen
------------------------------  
l.32 608sol. 18 den. 6 an Mobiliarvermögen, wozu
l.4 785sol. 18 den. 6an Immobilien (zum Taxwert) kommen, zusammen
------------------------------  
l.37 393sol. 18 den. 6an Teilmasse 

Hiervon sollen l. 4008 sol. 18 den. 6 für gemeinsame Rechnung der Brüder bei der Compagnie »in Accomandigia« gegeben werden. Das kann heißen: in Depot gegen Zinsen oder als quasi-Kommenda, also gegen Gewinnanteil. Im vorliegenden Fall scheint zunächst ersteres wahrscheinlicher; allein an sich konnte, wie in Genua die Kommenda neben den Sozietätsgütern, so hier eine Kommenda neben der Einlage stehen. Der socius wäre dann zugleich offener Gesellschafter mit Einlage und stiller Teilhaber, die Gewinnanteile wären vermutlich verschieden. Daß in casu auch letzteres Verhältnis gemeint sein kann, zeigt die in demselben Rezeß erwähnte Bestimmung des Testaments des Vaters, wonach die Söhne sich mit 200 fior. für Rechnung jedes Enkels an der Kompagnie beteiligen sollen und daß die vorgedachte Kommendierung die Ausführung dieser Bestimmung darstellt205.


Der von dem Kapital von l.37 393 sol.18 de. 6
nach Abzug jener l.4 008 sol.18 de. 6
   ------------------------------
verbleibende Rest von l.33 385 sol.18 de. 6

soll unter die drei Brüder verteilt werden und zwar soll, da in den Anteilen der älteren Brüder die in die Gemeinschaft gefallenen Mitgiften ihrer Frauen enthalten sein müssen, Carroccio 500 l. mehr als Duccio und dieser 1000 l. mehr als Alberto erhalten. Es erhalten also:


Carrocciol.11795
Ducciol.11295
Albertol.11295
 ------------
 l.33385

womit das Kapital wie oben aufgeteilt ist.

Diese Erbteile werden nachgewiesen wie folgt:

Es erhalten206:


 CarroccioDuccioAlbertoZusammen
-----------------------------------------------------------------------------------------
1) An Immobilienl. 725 s. — d. —l. 2030 s. — d. —l. 2030 s. — d. —l. 4785 s. — d. —
     
2) Dentro il corpo
della cia
l. 7766 s. 13 d. 4l. 7766 s. 13 d. 4l. 6776 s. 13 d. 4l. 23300 s. — d. —
     
3) Fuori il corpo
della cia
l. 3303 s. 6 d. 8l. 1498 s. 6 d. 8l. 1498 s. 6 d. 8l. 6300 s. — d. —
 ----------------------------------------------------------------------------
Zusammenl. 11795 s. — d. —l. 11295 s. — d. —l. 10295 s. — d. —l. 33385 s. — d. —
     
  Hierzu die akkommendierten:l. 4008 s. 18 d. 6
     
  ergibt als Gesamtkapital obige:l. 37393 s. 18 d. 6
     

Wir sehen also, daß jeder socius besitzt:

1. Immobiliarvermögen, welches außerhalb jeder Verbindung mit der Sozietät steht.

2. Mobiliarvermögen, welches, soviel ersichtlich, außer Beziehung zur Sozietät steht;

3. Mobiliarvermögen, welches bei der Sozietät, sei es zinsbar, sei es gegen Gewinnanteil (nicht als zinsloses Depot, wie die Erwähnung der usifrutti zeigt) belegt ist.

4. Vermögen innerhalb des corpo della compagnia.

Der Ausdruck corpo della compagnia entspricht dem lateinischen corpus societatis, letzterer bedeutet in der Sprechweise der Juristen, z.B. des Baldus 207, im Verhältnis nach außen das Gesellschaftsvermögen, also das Sondervermögen der offenen Handelsgesellschaft. Hier heißt derselbe Ausdruck das Sondervermögen im Verhältnis nach innen, wie aus dem Gesagten hervorgeht. Wie die Statuten ein Sondervermögen nach außen, so konstituieren die Sozietätsverträge ein solches nach innen, gegenüber den socii; und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Gesellschaftsvermögen nach außen mit demjenigen im inneren Verhältnis identisch ist208. Daß dies Zusammenfallen kein zufälliges oder von der juristischen Betrachtung zu ignorierendes ist, bedarf nicht der Ausführung, es war der historischen Entwicklung der offenen Handelsgesellschaft nach notwendig, der Stellung der Gesellschaft als Subjekt eines Vermögens allein entsprechend. Dies zur Anschauung zu bringen, war der wesentliche Zweck der Aussonderung und gesonderten Darstellung der Florentiner Quellen. Das Ergebnis ist von Bedeutung für die Stellungnahme der historischen Betrachtung zu Labands Auffassung.

Dies um so mehr, als auch der Gegensatz des bei der offenen Handelsgesellschaft nach dem Gesagten juristisch notwendigen Begriffs der Einlage in das Sondervermögen gegen eine bloße Kapitalbeteiligung beleuchtet wird. Wie der in dem Erbrezeß der Alberti vorkommende Fall zeigt, ist der socius, welcher Kapital werbend bei der Sozietät anlegt, wegen dieses Kapitals noch nicht Teilhaber an dem Gesellschaftsfonds. Sondern das Sondervermögen besteht neben diesen Partizipationsverhältnissen. - Wenn nun Laband sagt, das Bestehen eines Gesellschaftsvermögens sei für den Begriff der heutigen offenen Handelsgesellschaft rechtlich gleichgültig, weil zufällig: das Verhältnis inter socios könne auch als Darlehen oder als Partizipation reguliert sein, so ist dagegen zu sagen: daß wenn unter den socii eines der letzteren Verhältnisse stattfindet, trotzdem und außerdem doch noch das gesellschaftliche Sondervermögen besteht. Daß es nach außen, mag es wirtschaftlich gleich Null sein, juristisch doch existiert, wurde schon in der Einleitung gesagt. Es ist aber ferner auch zu konstatieren, daß hier das Verhältnis nach innen entscheidend auf dasjenige nach außen einwirkt: alles, was im Verhältnis unter den socii Gesellschaftsvermögen ist, ist es auch im Verhältnis zu den Gläubigern.


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