2. Die Societas maris.


Eingreifendere Neuerungen sind die Konsequenz einer anderen Gesellschaftsform, der sogenannten societas maris, in welcher die zunächst, vom kapitalistischen Standpunkt aus betrachtet, einseitige Kommenda den Uebergang in eine Sozietät mit zweiseitiger Kapitaleinlage vollzieht.

Die für Beurkundung dieses Verhältnisses in Genua gewöhnliche Form ist folgende:

Chart. II 292 v. J. 1165: W. et J. professi fuerunt se ad invicem societatem contraxisse 200 librarum, in qua quidem duas partes W. et terciam J. contulisse pariter confessi fuerunt. Hanc omnem societatem nominatus J. laboratum debet portare Bugiam et hinc ubi voluerit. In reditu utriusque capitali extracto proficuum debet per medium dividere etc.

Soweit rückwärts uns die Kommenda bezeugt ist, ebensoweit auch diese Sozietät; trotzdem ist Silberschmidt beizustimmen, welcher sie für die jüngere Form hält26. Der Kommendatar dessen Stellung, wie bemerkt, eine selbständigere werden mußte, war nunmehr auch materiall, seitdem das Geschäft mit auf seine Rechnung ging, zum mindesten zum Mitunternehmer geworden.

Das dieser Form im Gegensatz zur Kommenda Charakteristische ist nun wesentlich die Gemeinsamkeit der Gefahr. – Nicht etwa die Art der Gewinnverteilung. Erhielt bei der Kommenda der Kommendatar bei einer Einlage von 0-1/4 des Gewinns, so erhält er hier usancemäßig27 bei einer Einlage von 1/3 des Gesamtkapitals, von welchem der Kommendant 2/3 aufbringt, 1/2 des Gesamtgewinns, also 1/6 mehr, als pro rata auf ihn entfallen würde, also von den pro rata auf den Kommendatar entfallenden 2/3 des Gewinns 1/4. Auch die Verteilung der Kosten ist keine andere als bei der Kommenda28. – Sondern allein die Gemeinschaft des Risikos ergibt den Unterschied. Die Waren des reisenden socius (tractator nach der Terminologie in Pisa) werden mit denen des socius stans (so heißt in Pisa der nur mit Einlage Beteiligte) in einen Topf geworfen, eine Beschädigung der Waren eines von beiden trifft beide gemeinsam, ist eine Minderung des Sozietätsgutes.

 Der Gewinn aus den Waren ist nicht Gewinn desjenigen, der sie eingeworfen hat, sondern fällt in die Teilungsmasse. – Es gibt einfach über das Sozietätsgut nicht mehr gesonderte Konti des stans und des tractator, sondern es wird für das Sozietätsgut ein Konto – Kapitalkonto der Sozietät, würden wir sagen – eröffnet und diesem zu- und abgeschrieben (wenn auch nicht buchmäßig, so ist doch rechnerisch der Vorgang schon für die damalige Zeit so zu denken). Mit diesem Konto wird nun operiert, die Urkunden enthalten mannigfache Abreden darüber, welche Ausgaben und Einnahmen dies Konto belasten, bzw. ihm zugute kommen (»venire in societatem«, vgl. Chart. II 380, 457, 487, 604, 619, 729, 734, 910 und oft); mehrere solche Konti können in den verschiedensten Abrechnungsverhältnissen untereinander stehen.

In dieser Entwicklung ist nun zwar ein prinzipieller Unterschied von der Kommenda an sich vielleicht nicht zu erkennen, abgesehen von jener Bildung eines gemeinsamen Fonds, – allein die Existenz irgendwelcher erheblicher Differenzen kann deshalb nicht mit Lastig in Abrede gestellt werden. Gerade in dem normalerweise die Kommenda Charakterisierenden, der Tragung der Gefahr durch den Kommendanten, ist eine Änderung eingetreten. So wenig es eine normale Kommenda ist, wenn, was vorkommt, die Gefahr dem Kommendatar zur Last gelegt wird29, so wenig ist es juristisch unerheblich, wenn durchweg bei der societas maris das Unternehmen nicht mehr auf Rechnung nur des einen socius geht, welcher dadurch »Chef« des Geschäfts wird, dem der tractator seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, – sondern daß hier jeder auch die Gefahr der Einlage des anderen trägt.

Auch wirtschaftlich ist der Unterschied erheblich. Wenn schon bei der Kommenda, besonders der Geldkommenda, die Tendenz dahin geht, den Kommendatar zu einer selbständigen Zwischeninstanz zwischen Kommendant und Absatzgebiet zu gestalten, so noch mehr hier, wo der tractator selbst sein Kapital im Unternehmen stecken hat, und ganz besonders, wenn ihm mehrere socii stantes mit Geldeinlagen gegenüberstehen. Je mehr die Tätigkeit des tractator unter schwieriger werdenden Marktverhältnissen an Wichtigkeit steigt, um so mehr mußte wirtschaftlich er als der Unternehmer, die stantes als Partizipanten erscheinen. Nicht mehr der stans ist es dann, welcher fremde Arbeitskraft in seinen Dienst nimmt, sondern der tractator nimmt das Kapital der stantes in seinen Dienst, gewährt ihnen Gelegenheit zu lukrativer Anlage. Unzweideutig drückt sich letztere Auffassung darin aus, daß die Statuten die Einlage in eine societas maris als besonders geeignete Art der Anlage von Mündelgeldern und ähnlichen zeitweilig werbend anzulegenden Kapitalien behandeln30. Trotzdem nun die societas maris wirtschaftlich diese Bedeutung annehmen konnte und tatsächlich oft annahm, ist dies auf ihre juristische Struktur ohne Einfluß geblieben. Eine juristische Differenz ist nicht vorhanden, mag wirtschaftlich in casu die Arbeit des reisenden socius oder das Kapital des stans als im Dienste der anderen Partei stehend aufzufassen sein. Im letzteren Fall wird niemand anstehen, die Stellung des socius stans als die eines an Gewinn und Verlust eines fremden Geschäfts mit seinem Kapital Partizipierenden, das Verhältnis wirtschaftlich als »Partizipation« zu bezeichnen, – und es muß daher der Auffassung von Lastig widersprochen werden, welcher lebhaft gegen die Unklarheit protestiert, welche darin liege, daß man die Kommendaverhältnisse mit der participatio in Beziehung setze. Erstere können sehr wohl auch als Partizipation fungieren31.

 

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26 Ein Blick in die Urkunden lehrt, daß die societas maris gegenüber der Kommenda, welche als im Zweifel gewollt gilt, den Charakter einer Spezialberedung hat; oft ergreift sie nur einen Teil der mitgeführten Waren (Chart. II 348 z.B. und oft). Der Consolato del mare hält es für der besonderen Rechtfertigung bedürftig, daß ein eigene Waren mitführender socius ebenso günstig gestellt sei wie ein Kommendatar. Der Grund liege in der größeren Garantie, die er biete: »perço com comendataris van per lo mon mults qui en tot ço que portan ne an algun acosa. Encora mas si aquelles comandes no eran que hom los fa, irien à onta. Encora mas si aquelles comandes se perden, ells no y en res, perço car à ells no costarà res del lur ne y perden res ... è en axi lo senyor de la nau ò leny no pot ne deu esser de pijor condiciò que un altre comendatari«.

27 Chart. II 428: A. wirft 200, B. 100 und seine Arbeitskraft ein, der Gewinn wir à 1/2 geteilt und bemerkt: »cum ista societas nominatur«. Verhalten sich die Gütermengen beider Teile nicht wie 2/3 zu 1/3, so gilt die societas nur als für zwei in diesem Verhältnis stehende Beträge geschlossen; was überschießt, gilt als Kommenda und wird besonders berechnet (Chart. II 348 und oft).

28 Meist als selbstverständlich vorausgesetzt, gelegentlich erwähnt: Chart. II 340.

29 Chart. II 576 (ein Fall der Landkommenda, s.u.).

30 Constit. legis Pisanae civitatis (bei Bonaini, Statuti inediti della città di Pisa Vol. II) c. 21. Stat. v. Pera c. 108. Vgl. den Eid der Mitglieder der genuesischen bürgerlichen Eidgenossenschaft, Compagna communis, von keinem nicht Zugehörigen Geld in societatem zu nehmen (Breve della compagna v. 1157)

31 Lastig will vielmehr die Kommendaverhältnisse als »einseitige Arbeitsgesellschaft« von den »einseitigen Kapitalgesellschaften«, welche er participatio nennt, scharf trennen. Allein welches von beiden Verhältnissen vorliegt, ist auch bei der soc. maris eine wirtschaftliche Frage, deren Beantwortung davon abhängt, wer wirtschaftlich als »Chef« des Geschäfts, als Unternehmer, anzusehen ist – möglicherweise keiner von beiden, d.h. beide zugleich. Lastig polemisiert scharf und wohl mit Recht gegen Endemanns Theorien von der societas pecunia-opera etc. (in Endemanns Studien zur romanisch-kanonischen Wirtschafts- und Rechtslehre), als Hineintragen wirtschaftlicher Gesichtspunkte in juristische Betrachtungen, allein auch Lastigs Kategorien sind inklusive der »participatio« wirtschaftliche. Die Partizipation insbesondere kann mannigfache Rechtsformen annehmen, eine technische juristische Bedeutung, welche die societas maris ausschlösse, ist aus dem gedruckten Quellenmaterial meines Wissens nicht ersichtlich. Lastig selbst gesteht für die spätere Zeit eine »Verwischung« zu; wir werden noch in Pisa speziell sehen, daß die societas maris gerade in ihrer Blütezeit verschieden, auch als Partizipationsmodus, funktionieren kann und dort (in Pisa) zu diesem Behufe auch speziellere, sonst fehlende, juristische Distinktionen aufgestellt sind. »Partizipation« ist an und für sich kein juristischer, sondern ein wirtschaftlicher Begriff.

 


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