Die communis vita
Eigentümlich nun ist diese Mischung auch bei derjenigen Sozietät, welche das Statut konkret als societas inter fratres facta bezeichnet163, und unter welcher es das Gesellschaftsverhältnis unter mehreren unabgeteilten Miterben versteht.
Der Vater kann nach dem Statut durch letztwillige Verfügung eine solche societas unter seinen Erben begründen, ebenso können die Erben die Gemeinschaft als Sozietät fortsetzen, – ersterenfalls, wenn nicht sofort Widerspruch erhoben wird, in beiden Fällen solange, bis eine ausdrückliche Aufkündigung erfolgt. Obwohl nun letztere grundsätzlich jederzeit freisteht, wäre es doch unrichtig zu sagen, daß folglich das Verhältnis nur auf dem Konsens der socii beruhe, also prinzipiell ausschließlich ein gewillkürtes sei. Das Bestehen des Renuntiationsrechts ist etwas sehr Verschiedenes von dem Bestehen der societas auf Grund eines Vertrages. Dies zeigt sich praktisch darin, daß der Miterbe eben bis zur Renunziation gebunden ist und unabhängig von einer besonderen Willenserklärung socius wird; daß ferner für die Renunziation in verschiedenen Fällen Präklusivfristen bestehen und daß, wenn einer der Erben handlungsunfähig ist, ihm gegenüber resp. von ihm eine Renunziation überhaupt unmöglich ist. Also: es bedarf grundsätzlich zur Auflösung, nicht ebenso unbedingt aber zur Begründung des Verhältnisses einer Willenserklärung des Miterben.
Für die Begründung der Sozietät bildet vielmehr das Surrogat der besonderen Willenserklärung offenbar die communis vita der Miterben, wie schon daraus hervorgeht, daß das Statut für Miterben anordnet, daß, »etiamsi non communiter vixerint«, ohne ausdrücklichen Vertrag Teilung des Gewinns, welchen ein Miterbe aus dem Betrieb von Geschäften mit dem gemeinsamen Mobiliarvermögen gezogen habe, pro rata eintrete, dagegen bei expressus consensus der Gewinn und das Risiko wie bei socii geteilt werden solle. Der expressus consensus steht also hier in seiner Wirkung der communis vita gleich.
Ist dies der Einfluß der vita communis für das Bestehen einer Sozietät, so müssen wir nun fragen: welche Bedeutung hat sie an und für sich ohne diese spezielle Beziehung?
Die juristischen Merkmale der vita communis im hier besprochenen Sinn gibt das Constitutum Usus folgendermaßen an164:
1. »si de communi in una domo vixerint«, – also Gemeinschaft der Häuslichkeit und, wie sich zeigen wird, auch des Haushalts; eine absentia, welche ein anderes domicilium begründet, hebt die Gemeinschaft auf;
2. »et contractus et similia communiter fecerint«, – d.h. nicht, daß beide stets zusammen den Kontrakt schließen, sondern daß sie ihn auf gemeinsame Rechnung schließen, wie der Zusatz zeigt: »sive absentes sive praesentes sint, sive unus praesens alius absens«;
3. Vorhandensein eines gemeinsamen Kapitals ist nicht erfordert, es genügt das Zusammenleben, um »de eo, quod tunc acquisiverint«, die Wirkungen der Gemeinschaft eintreten zu lassen. Also nicht auf Kapital, sondern auf gemeinsame Arbeit ist auch hier das Verhältnis gegründet. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß die Wirkungen dieser Gemeinschaft nur eintreten sollen, wenn – eine Reminiszenz an die compagnia fraterna in Venedig – sie »inter masculos« besteht. Nur wer seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, ist Genosse.
Die Wirkungen dieser Kommunion stellen sich dahin, daß
1. aller Erwerb gemeinsames Eigentum wird bis auf die zum unmittelbaren persönlichen Gebrauch bestimmten Mobilien: »de eo quod tunc acquisiverint si aliquid eis praeter convenientia vestimenta remanserit, de acquisitu eorum sit commune«165. Macht ein Teilhaber mit fremdem Gelde ein Geschäft, so gebührt der gesamte Gewinn daraus der Gemeinschaft. Hat er Sondervermögen neben der Gemeinschaft und verwendet dies oder die hier wie sonst außerhalb der Gemeinschaft bleibende dos seiner Ehefrau zu Unternehmungen, so wirft er 1/4 des lucrum in die Gemeinschaft ein, – juristisch klar und konsequent, denn sein voller Arbeitsertrag, welchen nach Sozietätsrecht die quarta proficui darstellt, gebührt der Gemeinschaft, 3/4 gelten als Kapitalgewinn166.
2. Jeder einzelne Beteiligte ist an und für sich befugt, über das gemeinsame Vermögen zu disponieren und damit Geschäfte zu machen. Das Statut gibt zwar den anderen Beteiligten ein Widerspruchsrecht binnen zweitägiger Präklusivfrist, der Widerspruch hat aber nur die Wirkung, daß das Geschäft, soweit der Unternehmer dasselbe auf sein Konto unternimmt, auf seine privative Rechnung geht, soweit es darüber hinaus Mittel in Anspruch nimmt, der Widersprechende zwar für das auf sein Konto Entnommene am Gewinn beteiligt ist, aber im Verhältnis unter den Konsorten nicht am Risiko. Also ist ein einzelner Teilhaber auch über sein Konto hinaus mit dem Vermögen Geschäfte zu machen legitimiert; solange die anderen die Gemeinschaft nicht aufheben, können sie dies nicht hindern. Für die von einem Teilhaber auf eigene Rechnung abgeschlossenen comperae haben die anderen ein Eintrittsrecht (nach Art der heutigen offenen Handelsgesellschaft).
3. Der persönliche Bedarf der Teilhaber wird aus dem gemeinsamen Vermögen bestritten, und zwar an sich lediglich nach Bedürfnis des einzelnen. Für den Fall, daß jemand übermäßigen Aufwand macht, hat das Statut den anderen Konsorten ein Widerspruchsrecht eingeräumt, jedoch nur mit der Wirkung, daß im Verhältnis unter den socii er das nach billigem Ermessen zu viel Entnommene von Erhebung des Widerspruchs an auf sein Konto zu nehmen hat. Es ist diese anscheinend absonderliche Regelung ein klarer Beweis für die Richtigkeit der oben vertretenen Auffassung, daß die Entwicklung im allgemeinen in der Richtung der Beschränkung der prinzipiell rechtlich schrankenlosen Dispositionsrechte der Teilhaber verlief.
Soviel über die communis vita des pisanischen Rechts. Wir sahen oben, daß die communis vita, wo sie besteht, bei letztwillig angeordneten Sozietäten oder wo von den Miterben ein Geschäftsbetrieb in den Formen der societas maris unterhalten wird, den ausdrücklichen Abschluß eines Sozietätskontraktes ersetzt, sie dokumentiert den animus associandi. Die Sozietät unter Miterben beruht somit nicht ausschließlich auf Vertrag. Aber trotzdem ist auch in ihr das Element des Vertragsmäßigen enthalten. Die Quellen legen Gewicht darauf, daß auch diese Sozietät eine »societas nominata« sei. Aus dem Recht der societas maris nimmt sie den Modus der Gewinnverteilung auf, – während an sich bei der vita communis aller Erwerb allen Konti gleichmäßig zugute kommt, tritt da, wo eine societas der gemeinsam Wohnenden angenommen wird, die Gewinnteilung nach den Kommendagrundsätzen ein, und gerade dies Moment hat seinen Ursprung offenbar nicht im Familienvermögensrecht, sondern in den auf dem Boden des dispositiven Rechts stehenden Rechtsregeln über die societas maris.
Wir haben bisher die volle Haushaltsgemeinschaft nur unter Familiengenossen kennen gelernt.
Über gleichartige Verhältnisse unter Nichtverwandten enthält das Constitutum Usus nur die dürftigen Bemerkungen über die societas omnium bonorum und die societas lucri167, letztere von ersterer dadurch sich unterscheidend, daß sie eine Errungenschaftsgemeinschaft darstellt, während bei der societas omnium bonorum das gesamte Endkapital nach Köpfen geteilt wird. Bei der societas omnium bonorum ist – und dies erinnert an die Bestimmung der lex Langobardorum über die brüderliche Gemeinschaft – nur feudum und libellaria von der Gemeinschaft ausgeschlossen. Welcher Tatbestand sonst den angegebenen Begriffen entsprach, ist undurchsichtig und nur zu vermuten, daß sie die der communis vita unter Familienmitgliedern entsprechenden Verhältnisse inter extraneos betrafen.