Kassa


Wir müssen nun den Geschäftsformen, deren die Spekulation sich bedient, unsere Aufmerksamkeit zuwenden.

Die einfachste Grundform der Geschäfte an der Börse, beim Effektenhandel »Kassa« geschäft, bei Produkten »Loko« geschäft genannt, ist ein alsbald durch bare Zahlung gegen Uebergabe der Ware zu erfüllendes Kaufgeschäft. Erfüllt eine Partei trotz Mahnung nicht rechtzeitig, gerät sie »in Verzug«, so hat regelmäßig der Gegenpart das Recht der »Zwangsregulierung«, d.h. der nichtsäumige Käufer darf die betreffenden Waren anderweit von einem Dritten kaufen, der nichtsäumige Verkäufer sie an einen andern verkaufen – wobei sie, je nach Gesetz und Gebrauch, gewisse Formen innezuhalten haben – und sie können dann die Erstattung des Unterschieds im Preise verlangen, der sich dabei etwa zu ihren Ungunsten gegenüber dem Kontraktspreis ergeben hat: der Käufer also, wenn er teurer einkaufen mußte, als der Preis war, zu dem ihm der Säumige zu liefern zugesagt hatte, die Differenz der beiden Kaufpreise, und entsprechend der nichtsäumige Verkäufer. Dieser einfachen Geschäftsform bedienen sich naturgemäß alle diejenigen, welche Waren und Wertpapiere kaufen wollen, um sie zu behalten oder zu verbrauchen, also: Kapitalisten resp. die Kommissionäre von Kapitalisten, welche die gekauften Papiere als Kapitalanlage behalten wollen, Müller, die das Getreide vermahlen, Zuckerraffineure und Kammgarnspinner, die den Rohzucker und Kammzug weiterverarbeiten wollen. Hingegen ist sie nicht die geeignetste Geschäftsform für die Spekulation.

Zwar kann man gewisse einfachste Spekulationen auch in Form dieses einfachen Bargeschäfts machen. Wenn jemand nach der Ernte Getreide einkauft, bar bezahlt und in Erwartung eines künftigen steigenden Begehrs auf Lager legt, um es im Frühjahr gegen bar mit Gewinn zu verkaufen, oder ein anderer es mit russischen Noten oder sonstigen Wertpapieren, für die er aus irgendeinem Grunde eine verstärkte Nachfrage erwartet, ebenso macht, so ist dies die einfachste Form spekulativen Handels. Sie ist stets vorgekommen. Alle Gesetzgebungen der Vergangenheit und auch die Literatur einschließlich der Schriften der Kanonisten und z.B. Luthers sind voll von zornigen Ausfällen gegen die »Aufkäufer«, die »Monopolia« und wie sonst ähnliche spekulative Geschäfte genannt wurden. Aber offenbar kleben jener Form der Spekulation – vom Standpunkt des spekulierenden Händlers aus gesehen – mehrere Unvollkommenheiten an. Man kann in dieser einfachen Weise des Bareinkaufs von Ware, die man künftig verkaufen will, nur auf ein Steigen des Getreides, der Noten usw. im Preise spekulieren (»à la hausse«, wie der übliche börsenmäßige Ausdruck heißt), nicht aber auf ihr Sinken (»à la baisse«). Ferner: man kann bei diesen einfachen Bargeschäften nur Ware zum Spekulieren verwenden, die am Markt schon vorhanden ist – gegenwärtige Ware – nicht aber Zukunftsware d.h. solche, deren Eintreffen für die Zukunft erwartet wird, die zur Zeit noch auf dem Meere schwimmt oder gar noch auf dem Halm wächst. Man braucht eben zu jedem Spekulationsgeschäft schon beim Abschluß ein Quantum wirklich vorhandener Ware, und dadurch ist die Zahl der möglichen Spekulationsgeschäfte begrenzt. Endlich: der Spekulant, welcher Getreidevorräte usw. aufkauft, um sie künftig bei gestiegenen Preisen auf den Markt zu bringen, muß ein sehr bedeutendes Kapital in diesen Vorräten »festlegen«, über welches er nun, bis er dieselben wieder verkauft hat, nicht verfügen kann. Er muß deshalb überhaupt ein sehr kapitalkräftiger Mann sein und dadurch ist der Kreis der Personen, die an der Spekulation teilnehmen können, eng begrenzt. Schon deshalb ist auch die Gefahr, das »Risiko«, dieses Spekulanten sehr bedeutend, da bei dem beschränkten Vorrat an Ware und dem begrenzten Kreis der am spekulativen Handel teilnehmenden Personen es sehr zufällig ist, ob und wann man mit einiger Sicherheit darauf zählen kann, einen Abnehmer für bestimmte Quantitäten der aufgespeicherten Ware zu finden, und weil ferner die Preisschwankungen, wenn bei beschränkten Vorräten große Aufkäufe und massenhafte Veräußerungen miteinander abwechseln, naturgemäß sehr heftige sein müssen. Dem allen kann nur abgeholfen werden, wenn einmal 1. möglich gemacht wird, ohne bedeutendes eigenes Kapital zu spekulieren, wenn ferner 2. es ermöglicht wird, daß ein und dasselbe Quantum Ware oder Wertpapiere nicht nur zu einer, sondern zu mehreren spekulativen Geschäftsabschlüssen benutzt wird, und zwar 3. so, daß man nicht nur in Erwartung steigender Preise auf Spekulation kaufen kann, um später teurer zu verkaufen, sondern auch in Erwartung sinkender Preise auf Spekulation verkaufen kann, um später billiger einzukaufen. Dies alles leistet in technisch vollkommenster Weise diejenige Geschäftsform, welche an den entwickeltsten Börsen der Welt heute als Form des Spekulationshandels vorherrschend geworden ist: das Termingeschäft.


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Seite zuletzt aktualisiert: 27.10.2004 
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