Abteilung VII.
Über den Begriff der notwendigen Verknüpfung.
Abschnitt I.
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Soll man nun behaupten, dass wir uns einer Kraft oder Wirksamkeit in der Seele bewusst sind, wenn wir auf Geheiss unsers Willens einen neuen Gedanken fassen, die Seele in dessen Betrachtung festhalten, ihn nach allen Seiten wenden und zuletzt, wenn wir glauben, ihn hinlänglich betrachtet zu haben, ihn wegen einer andern Vorstellung fortschicken? Ich glaube, dieselben Gründe ergeben, dass auch ein solches Geheiss des Willens uns keine wirkliche Vorstellung von der Kraft und Wirksamkeit gewährt.
Erstens muss man einräumen, dass wir, wenn wir die Macht kennen, dann gerade den Umstand in der Ursache kennen, welcher sie befähigt, die Wirkung hervorzubringen; denn Beides ist gleichbedeutend. Wir müssten also dann sowohl die Ursache und Wirkung, als auch ihr Verhältniss zu einander kennen. Wer will aber behaupten, mit der Natur der menschlichen Seele, oder mit der Natur einer Vorstellung, oder mit der Einrichtung der einen zur Begründung der andern bekannt zu sein? Hier ist eine wirkliche Schöpfung; eine Hervorbringung aus Nichts. Dies scheint auf den ersten Blick eine so grosse Macht einzuschliessen, dass sie über den Bereich jedes endlichen Wesens hinausgeht. Man muss wenigstens anerkennen, dass eine solche Kraft nicht gefühlt wird, nicht bekannt ist, ja für die Seele unbegreiflich ist. Wir empfinden nur den Erfolg, nämlich das Dasein einer Vorstellung in Folge des Geheisses des Willens; aber die Art, wie dieser Vorgang sich vollzieht, die Kraft, durch welche er hervorgebracht wird, geht über unser Begreifen.
Zweitens: die Macht des Willens über die Seele ist ebenso beschränkt, wie die über den Leib, und diese Schranke lernt man nicht durch die Vernunft oder durch eine Kenntniss der Natur von Ursache und Wirkung kennen, sondern nur durch Erfahrung und Beobachtung, wie bei allen anderen Naturereignissen und Vorgängen der äusseren Körper. Unsere Macht über unsere Gefühle und Leidenschaften ist viel früher als die über das Vorstellen, und selbst diese Macht ist in sehr enge Grenzen gefasst. Kann Jemand den letzten Grund für diese Schranken angeben oder zeigen, weshalb die Macht in einem Falle versagt und in dem andern nicht?
Drittens: Diese Macht über sich selbst ist zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden. Ein gesunder Mensch besitzt sie in stärkerem Maasse als ein durch Krankheit geschwächter. Wir sind am Morgen mehr Herr unseres Denkens, als am Abend; mehr in nüchternem Zustande, als nach einer reichlichen Mahlzeit. Kann man einen anderen Grund, als Erfahrung, für diesen Unterschied angeben? Wo bleibt also die Kraft, deren wir uns bewusst sein wollen? Sollte hier nicht ein geheimer Mechanismus oder Bau der Teile aus geistiger oder körperlicher Substanz, oder aus beiden bestehen, von dem die Wirkung abhängt; ein Bau, der uns unbekannt ist und deshalb die Kraft oder Wirksamkeit des Wollens so unbekannt und unbegreiflich bleiben lässt?
Das Wollen ist unzweifelhaft ein Vorgang in der Seele, den man genau kennt. Man schaue auf ihn und betrachte ihn von allen Seiten. Zeigt sich dabei irgend eine solche schöpferische Kraft, welche eine neue Vorstellung aus Nichts erhebt und mit einem: Es werde, die Allmacht des Schöpfers (mit Erlaubniss) nachahmt, welcher alle diese mannichfachen Erscheinungen der Natur in das Dasein rief? Wir sind durchaus ohne Wahrnehmung dieser Wirksamkeit des Willens; vielmehr gehört solche Erfahrung, wie wir sie besitzen, dazu, um die Überzeugung zu gewinnen, dass solche ausserordentliche Wirkungen aus einem einfachen Akt des Willens hervorgehen.
Die meisten Menschen finden es nicht schwer, die gewöhnlichen und bekannten Vorgänge der Natur zu erklären; z.B.: den Fall schwerer Körper, das Wachsen der Pflanzen, die Erzeugung der Tiere und die Ernährung des Körpers durch Lebensmittel. Man meint, in all diesen Fällen die wahre Kraft und Wirksamkeit der Ursache einzusehen, wodurch sie mit dem Erfolge verknüpft und in ihrer Wirksamkeit untrüglich ist. Man nimmt durch lange Gewohnheit eine solche Weise des Denkens an, dass man bei dem Eintritt der Ursache seinen gewöhnlichen Begleiter unmittelbar und sicher erwartet und dass man sich kaum vorstellen kann, wie ein anderer Erfolg daraus hervorgehen könne. Nur bei Wahrnehmung ausserordentlicher Ereignisse, wie Erdbeben, Pest, Wunder aller Art, findet man sich in Verlegenheit, wenn eine Ursache und die Art bezeichnet werden soll, wie die Wirkung daran geknüpft ist. Gewöhnlich nimmt man in solchen schwierigen Fällen seine Zuflucht zu einem unsichtbaren, geistigen Prinzip, als unmittelbarer Ursache eines solchen überraschenden Vorganges; man meint, dass ein solcher nicht von den gewöhnlichen Naturkräften abgeleitet werden könne. Aber weiter denkende Philosophen bemerken leicht, dass diese Wirksamkeit der Ursache in den bekanntesten Vorgängen ebenso unerkennbar ist als in den seltensten, und dass man durch Erfahrung nur die häufige Verbindung von Gegenständen kennen lernt, ohne doch die wahre Verknüpfung beider irgend erfassen zu können.
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