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Abteilung XII.
 
Über die Akademische oder Skeptische Philosophie
Abschnitt I.

 

Keine Frage ist philosophisch mehr und häufiger erörtert worden als die über die Beweise für das Dasein Gottes und die Widerlegung der Irrtümer der Atheisten. Dennoch streiten die frommen Philosophen noch immer, ob ein Mensch so verblendet sein und durch tieferes Denken zum Atheisten werden könne. Wie soll man diese Widersprüche aussöhnen? Die fahrenden Ritter, welche umherzogen, um die Welt von Drachen und Riesen zu reinigen, bezweifelten wenigstens nie das Dasein solcher Ungeheuer.

Die Skepsis ist noch ein anderer Feind der Religion, welcher natürlich den Unwillen aller geistlichen und ernsten Philosophen erregt, obgleich sicherlich noch Niemand einen so verrückten Menschen getroffen oder mit Jemand verkehrt hat, der gar keine Meinung und gar keinen Grundsatz über irgend etwas festgehalten hätte, sei es im Handeln, sei es im Untersuchen. Dies veranlasst natürlich die Frage: Was versteht man unter einem Skeptiker? Und wie weit kann dieses philosophische Prinzip des Zweifels und der Ungewissheit getrieben werden?

Es gibt eine Art von Skeptizismus welcher, jedem Studium und jeder Philosophie vorausgeht; Descartes und Andere haben ihn als ein oberstes Schutzmittel gegen Irrtum und übereiltes Urteilen empfohlen. Descartes fordert allgemeinen Zweifel nicht bloß an unsern frühern Meinungen und Grundsätzen, sondern selbst an unsern Vermögen; wir müssen uns, nach seiner Meinung, von deren Wahrhaftigkeit vielmehr durch eine Reihe von Gründen vergewissern, welche von einem obersten Prinzip ausgehen, das nicht mehr falsch und irreführend sein kann. Aber es gibt weder ein solches ursprüngliches Prinzip, was den Vorrang über andere, ebenso selbstverständliche und überzeugende hätte, noch könnten wir, wenn es bestände, einen Schritt mit ihm tun, ohne die Vermögen zu gebrauchen, denen man doch nicht vertrauen mag. Die Cartesianischen Zweifel wären daher, wenn sie überhaupt einem Menschen möglich wären (was offenbar nicht der Fall ist) ganz unheilbar, und keine Ausführung könnte dann je über irgend Etwas Gewissheit und Überzeugung verschaffen.

Aber ein solches Zweifeln in mäßiger Weise kann allerdings in einem verständigen Sinne vorgenommen werden, und ist dann eine notwendige Vorbereitung zu dem Studium der Philosophie. Es erhält die Unparteilichkeit des Urteils und befreit den Geist von den Vorurteilen, die er durch Erziehung und vorschnelles Absprechen eingesogen hat. Mit klaren und selbstverständlichen Grundsätzen zu beginnen, mit vorsichtigen und ängstlichen Schritten vorzugehen, die Schlüsse wiederholt zu prüfen und alle ihre Folgen sorgfältig zu überdenken; solche Mittel gestatten allerdings nur einen langsamen und allmählichen Fortschritt in unserem Systeme; aber sie sind der einzige Weg, auf dem man hoffen kann, die Wahrheit zu gewinnen und eine angemessene Festigkeit und Gewissheit in unsern Ansichten zu erreichen.

Es gibt eine Art von Skeptizismus, welcher der Wissenschaft und Untersuchung nachfolgt, wenn man entweder das Unbedingt-Trügerische der geistigen Fähigkeiten entdeckt zu haben meint, oder ihre Unfähigkeit irgend eine feste Bestimmung in all jenen interessanten Fragen der Spekulation zu erreichen, für die man sie zu benutzen pflegt. Selbst unsere Sinne sind durch eine Gattung von Philosophen in den Streit gezogen worden, und die Regeln des gewöhnlichen Lebens sind ebenso angezweifelt worden, wie die tiefsten Prinzipien und Folgerungen der Metaphysik und Theologie. Da diese paradoxen Sätze (im Fall man sie Sätze nennen will) bei einzelnen Philosophen angetroffen werden, und Andere sie zu widerlegen versucht haben, so lässt dies nach den Gründen fragen, auf die sich beide stützen.

Ich brauche mich hier nicht bei den allbekannten Gründen aufzuhalten, welche von den Skeptikern aller Zeiten gegen das Zeugnis der Sinne vorgebracht worden sind; sie sind aus der Unvollkommenheit und den bei vielen Gelegenheiten vorkommenden Täuschungen der Organe hergenommen; z.B. von dem gebrochenen Ruder unter dem Wasser; von dem verschiedenen Aussehen der Gegenstände nach ihrer verschiedenen Entfernung; von den Doppelbildern bei dem Druck des Auges und von vielen andern Erscheinungen ähnlicher Art. Diese skeptischen Gemeinplätze beweisen nur, dass man sich auf die Sinne allein nicht verlassen kann, sondern dass ihr Zeugnis durch die Vernunft und durch Betrachtungen berichtigt werden muss, welche sich aus der Natur des Mediums, aus der Entfernung des Gegenstandes und aus dem Zustande des Organs ableiten; nur dann können sie in ihrem Gebiete als sichere Kennzeichen des Wahren und Falschen gelten. Es gibt indes noch tiefere Bedenken gegen die Sinne, die sich nicht so leicht beseitigen lassen.

 


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