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Abteilung VII.
 
Über den Begriff der notwendigen Verknüpfung.
Abschnitt I.

 

Wir wollen diesen Satz näher untersuchen; zunächst rücksichtlich des Einflusses des Willens auf die Glieder des Körpers. Dieser Einfluss ist offenbar eine Tatsache, welche gleich allen andern natürlichen Vorgängen nur durch Erfahrung erkannt werden kann; aus keiner wahrnehmbaren Wirksamkeit oder Kraft in der Ursache kann er im Voraus entnommen werden, die sie mit ihrer Wirksamkeit verknüpfte, und die eine zur untrüglichen Folge der andern machte. Die Bewegung unsers Körpers erfolgt auf den Befehl unsers Willens. Dessen sind wir uns jederzeit bewusst. Aber die Mittel, wodurch dieses geschieht, die Kraft, mittelst deren der Wille eine so außerordentliche Tat vollbringt, sind dem unmittelbaren Bewusstsein so sehr entzogen, dass sie für immer sich der genauesten Nachforschung entziehen.

Denn gibt es erstens in der ganzen Natur ein geheimnisvolleres Prinzip, als die Verbindung von Seele und Leib? Eine geistige Substanz erlangt dadurch einen solchen Einfluss über eine körperliche, dass der feinste Gedanke im Stande ist, den gröbsten Stoff zu bewegen. Könnten wir durch einen leisen Wunsch Berge versetzen oder die Gestirne in ihren Laufbahnen aufhalten, so wäre diese große Macht doch nicht außerordentlicher und unbegreiflicher. Könnten wir durch Selbstbewusstsein eine Kraft in dem Willen bemerken, so wäre diese Kraft und ihre Verbindung mit der Wirkung bekannt; ebenso das geheime Band zwischen Leib und Seele und die Natur beider Substanzen, wodurch die eine in so vielen Fällen auf die andere einwirken kann.

Zweitens: Wir können nicht alle Teile des Körpers mit der gleichen Kraft bewegen, obgleich man, abgesehen von der Erfahrung, keinen Grund für einen so auffallenden Unterschied angeben kann. Weshalb hat der Wille Macht über die Zunge und die Finger, und nicht über das Herz und die Leber? Diese Frage würde uns nicht in Verlegenheit setzen, wenn das Bewusstsein im ersten Falle die Kraft darböte und in dem andern nicht. Wäre dies, so würde man auch ohne Erfahrung einsehen, weshalb die Macht des Willens über die Organe des Lebens in so feste Grenzen befasst ist. Man wäre dann mit der Kraft oder Macht, durch welche er wirkt, genau bekannt und würde wissen, weshalb sein Einfluss gerade nur so weit und nicht weiter reichte.

Ein Mensch, der plötzlich am Beine oder Arme gelähmt worden ist, oder der diese Glieder kürzlich verloren hat, versucht anfänglich oft, sie zu bewegen und in der gewohnten Weise zu gebrauchen. Hier ist er sich der Kraft, seine Glieder zu regen, ebenso bewusst, als Jemand in voller Gesundheit sich der Kraft, die in ihren natürlichen Zustand verbliebenen Glieder zu bewegen, bewusst ist. Aber das Bewusstsein täuscht niemals. Folglich sind wir weder in dem einen noch in dem andern Falle uns irgend einer Kraft bewusst. Nur aus der Erfahrung lernen wir den Einfluss unsers Willens kennen, und nur die Erfahrung lehrt uns, welches Ereignis beständig einem andern folgt, aber ohne uns über die geheime Verknüpfung, die sie an einander bindet und untrennbar macht, zu belehren.

Drittens: Die Anatomie lehrt uns, dass der unmittelbare Gegenstand der Kraft bei freiwilliger Bewegung nicht das bewegte Glied selbst ist, sondern gewisse Muskeln und Nerven der Lebensgeister und vielleicht noch etwas Feineres und Unbekannteres, durch welches sich die Bewegung fortsetzt, ehe sie das Glied selbst erreicht, dessen Bewegung der unmittelbare Gegenstand des Wollens ist. Gibt es einen starkem Beweis, dass die Kraft, durch welche der ganze Vorgang zu Stande kommt, anstatt durch inneres Gefühl oder Bewusstsein geradezu und voll erkannt zu sein, vielmehr im höchsten Grade geheimnisvoll und unerkennbar ist? Die Seele will einen bestimmten Erfolg; unmittelbar entsteht aber ein anderer Erfolg, der uns unbekannt und gänzlich von dem gewollten verschieden ist; dieser Erfolg bewirkt einen andern, ebenso unbekannten, bis endlich nach einer langen Reihe der verlangte Erfolg hervortritt. Hätte man die ursprüngliche Kraft wahrgenommen, so hätte man sie gekannt; dann hätte man auch die Wirkung gekannt, weil alle Kraft sich auf die Wirkung bezieht. Umgekehrt, ist die Wirkung unbekannt, so kann auch die Kraft nicht bekannt und wahrgenommen sein. Wie kann man in Wahrheit sich einer Kraft über die Glieder bewusst sein, wenn man keine solche hat, sondern nur eine solche zur Erregung gewisser Lebensgeister, welche zwar zuletzt die Bewegung des Gliedes hervorbringen, aber dabei doch in einer für uns ganz unbegreiflichen Weise wirksam sind.

Aus alledem kann man nicht voreilig, sondern mit Gewissheit schliessen, dass unser Begriff der Macht nicht das Abbild einer Empfindung oder Selbstwahrnehmung der Macht ist, wenn wir eine Bewegung unternehmen, oder unsere Glieder nach ihrer Bestimmung und Einrichtung gebrauchen. Dass deren Bewegung den Befehlen des Willens folgt, ist ein Gegenstand der gemeinen Erfahrung, wie bei andern natürlichen Vorgängen; aber die Kraft oder Wirksamkeit, wodurch dies geschieht, ist ebenso wie bei andern natürlichen Vorgängen unbekannt und unbegreiflich.*

 

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* Man könnte sagen, dass die Vorstellung der Kraft und Macht sich aus dem Widerstande bilde, dem man bei Körpern begegne, und der uns nöthige, unsere Kraft anzuwenden und alle unsere Macht aufzubieten. Diese Anstrengung (nisus), deren wir hierbei uns bewusst werden, soll der ursprüngliche Eindruck sein, den diese Vorstellung abbildet. - Allein man spricht bei einer Menge Dingen von ihrer Kraft, wo man einen solchen Widerstand oder eine solche Kraftäusserung nicht voraussetzen kann; so bei dem höchsten Wesen, dem ja Nichts Widerstand leisten kann; so bei der Seele, in ihrer Herrschaft über Gedanken und Glieder; so beim gewöhnlichen Denken und Bewegen, wo die Wirkung unmittelbar dem Willen folgt, ohne Aeusserung oder Hülfe einer Kraft; so beim leblosen Stoff, der solcher Empfindung unfähig ist. Sodann hat diese Empfindung des Anstrengens, um einen Widerstand zu überwinden, keine bekannte Verknüpfung mit irgend einem Ereignisse. Was folgt, lernt man nur aus Erfahrung, aber nicht a priori. Indess ist es richtig, dass diese lebendige Anstrengung, die man empfindet, dem gewöhnlichen und ungenauen Begriff der Kraft ziemlich entspricht, obgleich sie für den scharfen und genauen Begriff derselben nicht zureicht.  

 


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