34. Einigung mit den am Körper Hängenden darüber, daß auch Unkörperliches ist, und über eine Bestimmung des Seins als Vermögen


Fremder: So laß denn sie, die Bessergewordenen, dir antworten und dolmetsche uns, was sie sagen!

Theaitetos: Das soll geschehen.

Fremder: Mögen sie denn sagen, ob sie annehmen, es gebe sterbliches Lebendiges?

Theaitetos: Wie sollten sie das nicht?

Fremder: Und ob sie eingestehen, dies sei ein beseelter Leib?

Theaitetos: Ganz gewiß.

Fremder: Setzen sie also die Seele unter das Seiende?

Theaitetos: Ja. [247a]

Fremder: Und wie? Nehmen sie nicht an, eine Seele sei gerecht, die andere ungerecht, und die eine vernünftig, die andere unvernünftig?

Theaitetos: Unbedenklich.

Fremder: Nicht auch, dass jede durch Anwesenheit der Gerechtigkeit eine solche werde und durch Anwesenheit des Gegenteils eine entgegengesetzte?

Theaitetos: Ja, auch das geben sie zu.

Fremder: Aber daß, was bei einem anwesend sein kann und abwesend, doch auf alle Weise etwas sei, werden sie wohl auch sagen?

Theaitetos: Sie sagen es also.

Fremder: [b] Wenn also Gerechtigkeit und Vernünftigkeit und die übrige Tugend und so auch die Seele, in welcher dies alles einwohnt, wirklich ist: behaupten sie denn etwa, dass irgend von dem allen etwas sichtbar sei und greiflich oder alles unsichtbar?

Theaitetos: Nichts ist wohl von dem allen sichtbar.

Fremder: Und wie? Sagen sie, dass etwas hiervon einen Leib habe?

Theaitetos: Das werden sie wohl nicht mehr ganz auf einerlei Weise beantworten, sondern die Seele selbst schiene ihnen einen Leib zu besitzen; von der Vernünftigkeit aber und wonach du sonst fragtest, werden sie sich wohl der Kühnheit schämen, sowohl zu behaupten, dass alles dieses gar nicht sei, [c] als auch darauf zu bestehen, dass es ganz leiblich sei.

Fremder: Offenbar, Theaitetos, sind uns ja die Männer besser geworden. Denn auch nicht eins von allem diesen würden die echten Ausgesäeten und Erdgeborenen unter ihnen scheuen, sondern darauf beharren, daß, was sie nicht imstande sind, in den Händen zu zerdrücken, auch ganz und gar nichts ist.

Theaitetos: Recht so denken sie, wie du sagst.

Fremder: Laß sie uns also nochmals fragen; denn wenn sie auch nur ein weniges von dem Seienden als unkörperlich zugeben wollen, [d] das reicht schon hin. Denn was nun diesem zugleich und auch jenem, was Körper hat, eignet, worauf sie ja eben sehen, indem sie sagen, beides sei, das müssen sie dann angeben. Vielleicht nun würden sie dabei verlegen sein; und wenn ihnen dergleichen begegnete, so sieh zu, ob sie wohl, wenn wir es ihnen vorhielten, annehmen und eingestehen würden, das Seiende sei etwa folgender Art.

Theaitetos: Was denn? Sprich, und wir wollen gleich sehn.

Fremder: Ich sage also, was nur irgend ein Vermögenbesitzt, es sei nun ein anderes zu irgend etwas zu machen, [e] oder, wenn auch nur das mindeste von dem allergeringsten zu leiden, und wäre es auch nur ein einziges Mal, das alles sei wirklich. Ich setze nämlich als Erklärung fest, um das Seiende zu bestimmen, dass es nichts anderes ist als Vermögen, Kraft.

Theaitetos: Nun, da sie selbst vorderhand nichts Besseres als dieses zu sagen haben, so nehmen sie dieses an.

Fremder: Schön. Denn in der Folge wird es sich vielleicht uns ebensogut als ihnen anders zeigen. [248a] Mit ihnen bleibe uns also nun dieses gemeinschaftlich festgestellt.

Theaitetos: Es bleibt.


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