Kriterien der logischen Wahrheit


Ist nun aber die Frage nach allgemeinen formalen Kriterien der Wahrheit: so ist die Entscheidung hier leicht, daß es dergleichen allerdings geben könne. Denn die formale Wahrheit besteht lediglich in der Zusammenstimmung der Erkenntnis mit sich selbst bei gänzlicher Abstraktion von allen Objekten insgesamt und von allem Unterschiede derselben. Und die allgemeinen formalen Kriterien der Wahrheit sind demnach nichts anders als allgemeine logische Merkmale der Übereinstimmung der Erkenntnis mit sich selbst oder — welches einerlei ist — mit den allgemeinen Gesetzen des Verstandes und der Vernunft.

Diese formalen, allgemeinen Kriterien sind zwar freilich zur objektiven Wahrheit nicht hinreichend, aber sie sind doch als die conditio sine qua non derselben anzusehen.

Denn vor der Frage: ob die Erkenntnis mit dem Objekt zusammenstimme, muß die Frage vorhergehen, ob sie mit sich selbst (der Form nach) zusammenstimme? Und dies ist Sache der Logik.

Die formalen Kriterien der Wahrheit in der Logik sind

1) der Satz des Widerspruchs,

2) der Satz des zureichenden Grundes.

Durch den erstem ist die logische Möglichkeit, durch den letztern die logische Wirklichkeit eines Erkenntnisses bestimmt.

Zur logischen Wahrheit eines Erkenntnisses gehört nämlich

Erstlich: daß es logisch möglich sei, d. h. sich nicht widerspreche. Dieses Kennzeichen der innerlichen logischen Wahrheit ist aber nur negativ; denn ein Erkenntnis, welches sich widerspricht, ist zwar falsch; wenn es sich aber nicht widerspricht, nicht allemal wahr. —

Zweitens: daß es logisch gegründet sei, d. h. daß es a) Gründe habe und b) nicht falsche Folgen habe. —

Dieses zweite, den logischen Zusammenhang eines Erkenntnisses mit Gründen und Folgen betreffende Kriterium der äußerlichen logischen Wahrheit oder der Rationabilität des Erkenntnisses ist positiv. Und hier gelten folgende Regeln:

1) Aus der Wahrheit der Folge läßt sich auf die Wahrheit des Erkenntnisses als Grundes schließen, aber nur negativ: wenn Eine falsche Folge aus einer Erkenntnis fließt, so ist die Erkenntnis selbst falsch. Denn wenn der Grund wahr wäre, so müßte die Folge auch wahr sein, weil die Folge durch den Grund bestimmt wird. —

Man kann aber nicht umgekehrt schließen: wenn keine falsche Folge aus einem Erkenntnisse fließt, so ist es wahr; denn man kann aus einem falschen Grunde wahre Folgen ziehen.

2) Wenn alle Folgen eines Erkenntnisses wahr sind: so ist das Erkenntnis auch wahr. Denn wäre nur etwas Falsches im Erkenntnisse, so müßte auch eine falsche Folge statt finden.

Aus der Folge läßt sich also zwar auf einen Grund schließen, aber ohne diesen Grund bestimmen zu können. Nur aus dem Inbegriffe aller Folgen allein kann man auf einen bestimmten Grund schließen, daß dieser der wahre sei.

Die erstere Schlußart, nach welcher die Folge nur ein negativ und indirekt zureichendes Kriterium der Wahrheit eines Erkenntnisses sein kann, heißt in der Logik die apagogische (modus tollens).

Dieses Verfahren, wovon in der Geometrie häufig Gebrauch gemacht wird, hat den Vorteil, daß ich aus einem Erkenntnisse nur Eine falsche Folge herleiten darf, um seine Falschheit zu beweisen. Um z. B. darzutun, daß die Erde nicht platt sei, darf ich, ohne positive und direkte Gründe vorzubringen, apagogisch und indirekt nur so schließen: Wäre die Erde platt, so müßte der Polarstern immer gleich hoch sein; nun ist dieses aber nicht der Fall, folglich ist sie nicht platt.

Bei der andern, der positiven und direkten Schlußart (modus ponens) tritt die Schwierigkeit ein, daß sich die Allheit der Folgen nicht apodiktisch erkennen läßt, und daß man daher durch die gedachte Schlußart nur zu einer wahrscheinlichen und hypothetisch-wahren Erkenntnis (Hypothesen) geführt wird, nach der Voraussetzung: daß da, wo viele Folgen wahr sind, die übrigen alle auch wahr sein mögen. —

Wir werden also hier drei Grundsätze, als allgemeine bloß formale oder logische Kriterien der Wahrheit aufstellen können; diese sind

1) der Satz des Widerspruchs und der Identität (principium contradictionis und identitatis), durch welchen die innere Möglichkeit eines Erkenntnisses für problematische Urteile bestimmt ist;

2) der Satz des zureichenden Grundes (principium rationis sufficientis), auf welchem die (logische) Wirklichkeit einer Erkenntnis beruht — daß sie gegründet sei, als Stoff zu assertorischen Urteilen;

3) der Satz des ausschließenden Dritten (principium exclusi medii inter duo contradictoria), worauf sich die (logische) Notwendigkeit eines Erkenntnisses gründet — daß notwendig so und nicht anders geurteilt werden müsse, d. i. daß das Gegenteil falsch sei — für apodiktische Urteile. 

 

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