Verschiedene Arten der Merkmale


Es gibt unter den Merkmalen mancherlei spezifische Unterschiede, auf die sich folgende Klassifikation derselben gründet.

1) Analytische oder synthetische Merkmale. — Jene sind Teilbegriffe meines wirklichen Begriffs (die ich darin schon denke), diese dagegen sind Teilbegriffe des bloß möglichen ganzen Begriffs (der also durch eine Synthesis mehrerer Teile erst werden soll). — Erstere sind alle Vernunftbegriffe, die letztern können Erfahrungsbegriffe sein.

2) Koordinierte oder subordinierte. — Diese Einteilung der Merkmale betrifft ihre Verknüpfung nach oder unter einander.

Koordiniert sind die Merkmale, sofern ein jedes derselben als ein unmittelbares Merkmal der Sache vorgestellt wird; und subordiniert, so fern ein Merkmal nur vermittelst des andern an dem Dinge vorgestellt wird. — Die Verbindung koordinierter Merkmale zum Ganzen des Begriffs heißt ein Aggregat; die Verbindung subordinierter Merkmale eine Reihe. Jene, die Aggregation koordinierter Merkmale macht die Totalität des Begriffs aus, die aber in Ansehung synthetischer empirischer Begriffe nie vollendet sein kann, sondern einer geraden Linie ohne Grenzen gleicht.

Die Reihe subordinierter Merkmale stößt a parte ante, oder auf Seiten der Gründe, an unauflösliche Begriffe, die sich ihrer Einfachheit wegen nicht weiter zergliedern lassen; a parte post, oder in Ansehung der Folgen hingegen ist sie unendlich, weil wir zwar ein höchstes Genus, aber keine unterste Spezies haben.

Mit der Synthesis jedes neuen Begriffs in der Aggregation koordinierter Merkmale wächst die extensive oder ausgebreitete Deutlichkeit; so wie mit der weitern Analysis der Begriffe in der Reihe subordinierter Merkmale die intensive oder tiefe Deutlichkeit. Diese letztere Art der Deutlichkeit, da sie notwendig zur Gründlichkeit und Bündigkeit des Erkenntnisses dient, ist darum hauptsächlich Sache der Philosophie und wird insbesondre in metaphysischen Untersuchungen am höchsten getrieben,

3) Bejahende oder verneinende Merkmale. — Durch jene erkennen wir, was das Ding ist; durch diese, was es nicht ist.

Die verneinenden Merkmale dienen dazu, uns von Irrtümern abzuhalten. Daher sind sie unnötig, da wo es unmöglich ist, zu irren, und nur nötig und von Wichtigkeit in denjenigen Fällen, wo sie uns von einem wichtigen Irrtume abhalten, in den wir leicht geraten können. So sind z. B., in Ansehung des Begriffs von einem Wesen wie Gott, die verneinenden Merkmale sehr nötig und wichtig.

Durch bejahende Merkmale wollen wir also etwas verstehen; durch verneinende — in die man alle Merkmale insgesamt verwandeln kann — nur nicht mißverstehen oder darin nur nicht irren, sollten wir auch nichts davon kennen lernen.

4) Wichtige und fruchtbare oder leere und unwichtige Merkmale. —

Ein Merkmal ist wichtig und fruchtbar, wenn es ein Erkenntnisgrund von großen und zahlreichen Folgen ist: teils in Ansehung seines innern Gebrauchs — des Gebrauchs in der Ableitung —, so fern es hinreichend ist, um dadurch sehr viel an der Sache selbst zu erkennen; — teils in Rücksicht auf seinen äußern Gebrauch — den Gebrauch in der Vergleichung —, so fern es dazu dient, sowohl die Ähnlichkeit eines Dinges mit vielen andern als auch die Verschiedenheit desselben von vielen andern zu erkennen.

Übrigens müssen wir hier die logische Wichtigkeit und Fruchtbarkeit von der praktischen — der Nützlichkeit und Brauchbarkeit unterscheiden.

5) Zureichende und notwendige oder unzureichende und zufällige Merkmale. —

Ein Merkmal ist zureichend, so fern es hinreicht, das Ding jederzeit von allen andern zu unterscheiden; widrigenfalls ist es unzureichend, wie z.B. das Merkmal des Bellens vom Hunde. — Die Hinlänglichkeit der Merkmale ist aber so gut wie ihre Wichtigkeit nur in einem relativen Sinne zu bestimmen, in Beziehung auf die Zwecke, welche durch ein Erkenntnis beabsichtiget werden.

Notwendige Merkmale sind endlich diejenigen, die jederzeit bei der vorgestellten Sache müssen anzutreffen sein. Dergleichen Merkmale heißen auch wesentliche, und sind den außerwesentlichen und zufälligen entgegen gesetzt, die von dem Begriffe des Dinges getrennt werden können.

Unter den notwendigen Merkmalen gibt es aber noch einen Unterschied. —

Einige derselben kommen dem Dinge zu als Gründe andrer Merkmale von einer und derselben Sache; andre dagegen nur als Folgen von andern Merkmalen.

Die erstem sind primitive und konstitutive Merkmale (constitutiva, essentialia in sensu strictissimo); die andern heißen Attribute (consectaria, rationata), und gehören zwar auch zum Wesen des Dinges, aber nur, so fern sie aus jenen wesentlichen Stücken desselben erst abgeleitet werden müssen; wie z. B. die drei Winkel im Begriffe eines Triangels aus den drei Seiten.

Die außerwesentlichen Merkmale sind auch wieder von zwiefacher Art; sie betreffen entweder innere Bestimmungen eines Dinges (modi) oder dessen äußere Verhältnisse (relationes). So bezeichnet z.B. das Merkmal der Gelehrsamkeit eine innere Bestimmung des Menschen; Herr oder Knecht sein nur ein äußeres Verhältnis desselben.

 

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