Deutlichkeit, ein höherer Grad der Klarheit - Ästhetische und logische Deutlichkeit


Die erste Stufe der Vollkommenheit unsers Erkenntnisses, der Qualität nach, ist also die Klarheit desselben. Eine zweite Stufe, oder ein höherer Grad der Klarheit, ist die Deutlichkeit. Diese besteht in der Klarheit der Merkmale.

Wir müssen hier zuvörderst die logische Deutlichkeit überhaupt von der ästhetischen unterscheiden. — Die logische beruht auf der objektiven, die ästhetische auf der subjektiven Klarheit der Merkmale. Jene ist eine Klarheit durch Begriffe, diese eine Klarheit durch Anschauung. Die letztere Art der Deutlichkeit besteht also in einer bloßen Lebhaftigkeit und Verständlichkeit, d. h. in einer bloßen Klarheit durch Beispiele in concreto (denn verständlich kann vieles sein, was doch nicht deutlich ist, und umgekehrt kann vieles deutlich sein, was doch schwer zu verstehen ist, weil es bis auf entfernte Merkmale zurückgeht, deren Verknüpfung mit der Anschauung nur durch eine lange Reihe möglich ist).

Die objektive Deutlichkeit verursacht öfters subjektive Dunkelheit und umgekehrt. Daher ist die logische Deutlichkeit nicht selten nur zum Nachteil der ästhetischen möglich und umgekehrt wird oft die ästhetische Deutlichkeit durch Beispiele und Gleichnisse, die nicht genau passen, sondern nur nach einer Analogie genommen werden, der logischen Deutlichkeit schädlich. — Überdies sind auch Beispiele überhaupt keine Merkmale und gehören nicht als Teile zum Begriffe, sondern als Anschauungen nur zum Gebrauche des Begriffs. Eine Deutlichkeit durch Beispiele — die bloße Verständlichkeit — ist daher von ganz anderer Art als die Deutlichkeit durch Begriffe als Merkmale. — In der Verbindung beider, der ästhetischen oder populären mit der scholastischen oder logischen Deutlichkeit, besteht die Helligkeit. Denn unter einem hellen Kopfe denkt man sich das Talent einer lichtvollen, der Fassungskraft des gemeinen Verstandes angemessenen Darstellung abstrakter und gründlicher Erkenntnisse.

Was nun hiernächst insbesondre die logische Deutlichkeit betrifft: so ist sie eine vollständige Deutlichkeit zu nennen, so fern alle Merkmale, die zusammen genommen den ganzen Begriff ausmachen, bis zur Klarheit gekommen sind. — Ein vollständig oder komplett deutlicher Begriff kann es nun hinwiederum sein, entweder in Ansehung der Totalität seiner koordinierten, oder in Rücksicht auf die Totalität seiner subordinierten Merkmale. In der totalen Klarheit der koordinierten Merkmale besteht die extensiv vollständige oder zureichende Deutlichkeit eines Begriffs, die auch die Ausführlichkeit heißt. Die totale Klarheit der subordinierten Merkmale macht die intensiv vollständige Deutlichkeit aus — die Profundität. —

Die erstere Art der logischen Deutlichkeit kann auch die äußere Vollständigkeit (completudo externa), so wie die andre die innere Vollständigkeit (completudo interna) der Klarheit der Merkmale genannt werden. Die letztere läßt sich nur von reinen Vernunftbegriffen und von willkürlichen Begriffen, nicht aber von empirischen erlangen.

Die extensive Größe der Deutlichkeit, so fern sie nicht abundant ist, heißt Präzision (Abgemessenheit). Die Ausführlichkeit (completudo) und Abgemessenheit (praecisio) zusammen machen die Angemessenheit aus (cognitionem, quae rem adaequat); und in der intensiv-adäquaten Erkenntnis in der Profundität, verbunden mit der extensiv adäquaten in der Ausführlichkeit und Präzision, besteht (der Qualität nach) die vollendete Vollkommenheit eines Erkenntnisses (consummata cognitionis perfectio).

 

* * *


 © textlog.de 2004 • 19.03.2024 04:41:51 •
Seite zuletzt aktualisiert: 04.06.2006 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright