1. Die Ehre


Das Motiv der Ehre war der alten klassischen Kunst unbekannt. In der llias macht wohl der Zorn des Achilles den Inhalt und das bewegende Prinzip aus, so daß der ganze weitere Verlauf davon abhängig ist; aber was wir im modernen Sinne unter Ehre verstehen, ist hier nicht aufgefaßt. Achill findet sich wesentlich nur dadurch verletzt, daß ihm sein wirklicher Beuteanteil, der ihm gehört und der seine Ehrenbelohnung, sein geras ist, von Agamemnon genommen wird. Die Verletzung geschieht hier in Rücksicht auf etwas Reales, auf eine Gabe, in welcher allerdings auch eine Bevorzugung, eine Anerkennung des Ruhms und der Tapferkeit gelegen hatte, und Achill erzürnt sich, weil ihm Agamemnon unwürdig begegnet und ihn nichts zu achten kundgibt unter den Griechen; aber die Verletzung dringt nicht in die letzte Spitze der Persönlichkeit als solcher, so daß sich Achill nun auch durch die Zurückgabe des ihm entrissenen Anteils und die Hinzufügung mehrerer Geschenke und Güter befriedigt und Agamemnon diese Reparation letztlich nicht verweigert, obschon sie sich unseren Vorstellungen nach aufs aller-gröblichste wechselseitig beleidigt haben. Durch die Schimpfworte jedoch haben sie sich nur zornig gemacht, während die partikulär sachliche Verletzung in ebenso partikulär-sachlicher Weise wieder aufgehoben wird.



Inhalt:


a. Begriff der Ehre
b. Verletzbarkeit der Ehre
c. Wiederherstellung der Ehre


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Seite zuletzt aktualisiert: 14.09.2004 
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